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Medienhype um Rio Tinto

23. Juli 2009

Rio Tinto - das Wort taucht zur Zeit oft in Chinas Medien auf. Der australische Bergbaukonzern soll Wirtschaftsspionage betrieben haben, sagt die Regierung in Peking. Doch wieso der Medienrummel?

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Glühende Metallschmelze (Foto: DW-TV)
Der Stahlstreit Australien-China brodelt in chinesischen MedienBild: DW-TV

Rio Tinto ist ein australischer Bergbaukonzern - eines der größten Abbauunternehmen der Welt. Die Regierung in Peking beschuldigt den Konzern, Wirtschaftspionage betrieben zu haben. Vier Rio Tinto-Mitarbeiter wurden deshalb Anfang Juli in Schanghai festgenommen. Konkret wirft die chinesische Regierung ihnen Spionage, Bestechung und Diebstahl von Staatsgeheimnissen vor.

Bei den angeblichen Geheimnissen geht es um die Verhandlungsposition des chinesischen Stahl- und Eisenerzverbandes, sowie um sensible Unternehmensdaten. Etwa die Produktionspläne für Werke, Lagerdaten über Eisenerz und Importinformationen, die Rio bei den jährlichen Preisverhandlungen helfen könnten.

Steckt die Regierung hinter dem Medienhype?

Eisenerzgrube (Foto: AP)
Eisenerz - um den Rohstoff verhandeln Chinas Stahlkocher und Rio Tinto gerade heftigBild: AP

Die Festgenommenen sind übrigens keine Australier, sondern Chinesen. Einer von ihnen hat sogar einen australischen Pass. Blickt man hinter die Kulissen, ist unschwer festzustellen, dass der große Medienrummel von der Regierung in Peking angestoßen wurde - also bewusst gewollt ist. Mit selten anzutreffender Genauigkeit listen - unter dem Banner der staatlichen Nachrichtenagentur Xinhua - mehrere nationale Zeitungen Fälle von Wirtschaftsspionage auf. Und zwar nicht nur Fälle die Australien betreffen, und nicht nur solche aus der Metallbranche.

An dem wohl konzertierten Angriff chinesischer Medien auf das feindselige Ausland nimmt auffälligerweise auch die Presse der Volksbefreiungsarmee teil. Beispielsweise mit dem Hinweis, dass mit dem Verrat von geheimen Preisvorstellungen für Eisenerz sogar hochsensible, militärische Informationen an Rio Tinto geflossen sein müssten. Sollte sich dies bewahrheiten, kämen die Verantwortlichen für Hochverrat möglicherweise vor ein Militärtribunal.

Es brodelt in Internetforen

Es geht hierbei jedoch um mehr, nämlich um die Medien-Propaganda der chinesischen Regierung. Von Anfang an brodelte es zu diesem Thema auch im chinesischen Internet. Empörungen dort richten sich allerdings weniger gegen die "Verräter" am Vaterland. Vielmehr kritisieren die User, dass chinesische Manager, insbesondere die von gigantischen Staatsunternehmen, ausländische Pässe haben. Sprich: Dass es sich bei eben diesen Managern um Kinder hochprivilegierter Parteifunktionäre handle.

Oft hört man in Internetforen das Argument: "Wer außer diesen privilegierten Managern besitzt denn noch die Schlüssel zu den Tresoren mit Staatsgeheimnissen? Doch nicht etwa die Straßendiebe!"

Interessenskonflikt und Vorurteile

Chinesen vor Computer (Foto: AP)
Der Stahlstreit kocht auch in Internetforen hochBild: AP

Es herrscht also zum einen ein Generalverdacht seitens der Regierung gegen ausländische Konzerne. Und zum anderen ein Generalverdacht gegen deren Handlanger in China. Und die werden ausgerechnet unter den politischen Funktionären gesucht, die jetzt die ausländischen Konzerne lautstark der Spionage verdächtigen.

Aus dieser dubiosen Interessengemengelage resultiert der öffentliche Druck: Bekanntlich sind ja Chinas Staats- und Wirtschaftslenker verpflichtet, jede zu enge Verbindung zu den Globalplayern aus dem Ausland zu meiden.

Deswegen würden die Staatenlenker am liebsten gleich alles wieder unter ihre Kontrolle bringen: Erdöl, Erdgas, Eisen- und Stahl, Buntmetall, sogar Trinkwasser. So könnte der Staat nämlich vermeiden, dass die chinesische Nation einem Komplott von eigenen korrupten Kadern und gierigen Imperialisten zum Opfer fällt.

Die Wirtschaftskrise als Argument

Trinkwasserflaschen in Ständer (Foto: AP)
Selbst das Trinkwasser würde Chinas Regierung gerne wieder unter ihre Regie nehmen.Bild: AP

Genau dieses Argument benutzen momentan Chinas Hardliner um die jetzige Krise zu ihren Gunsten zu nutzen. Seit Jahren klagen nationalistisch gesinnte Ökonomen über die ausländische Beteiligungen an chinesischen Firmen-Schwergewichten, etwa im Maschinen- und Anlagenbau sowie in der Schürfungs- und Erschließungstechnologie. Oder auch bei den für die öffentliche Versorgung wichtigen Staatsunternehmen, zum Beispiel bei Wasser- und Gaswerken. Ihr Vorwurf lautet: diese ausländischen Beteiligungen machten China zu einem Land ohne jegliche Geheimnisse.

Und dann gibt es da noch die Kritik vieler konservativer, staatstreuer Strategen, denen die Nähe zum chinesischen Militär nachgesagt wird. Und die beanstanden, dass durch die Börsennotierungen und den Aktientausch auch chinesische Staatsbanken zu internationalen Heuschrecken in Gestalt von Hedgefonds verkommen seien. Dass unter diesen Umständen die chinesischen Devisenverwalter gar keine andere Wahl mehr hätten, als ganze zwei Billionen Dollar Devisenreserven in obsolete US-Staatsanleihen anzulegen. Das liefere den letzten Beweis für die Abhängigkeit Chinas vom internationalen Großkapital. So sieht es aus, das perfekte Horrorszenario, das die Hardliner in China nutzen, um die marktliberale Politik des amtierenden Ministerpräsidenten Wen Jiabao zu torpedieren.

Die Regierung muss handeln

Und Ministerpräsident Wen muss reagieren. Vor westlichen Diplomaten kündigte der Premier nun an, mit den Devisenreserven wolle China verstärkt international auf "Unternehmensshopping" gehen. Doch das ist leichter gesagt als getan. Zur Erinnerung: Noch in diesem Frühling kämpfte Chinas Staatskonzern Minmetal vergeblich um eine Mehrheitsbeteiligung an Rio Tinto. Am Ende wurde Chinas überaus attraktives Angebot in den Wind geschrieben. So manche im Westen munkeln seither, dass die Verhaftung der vier angeblichen Spione von Rio Tinto nichts anderes sei als ein Rachefeldzug des chinesischen Staates.

Autor: Shi Ming

Redaktion: Miriam Klaussner