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Stadt der Millionäre

Stephan Hille29. November 2005

In der Nähe von Moskau soll eine Retortenstadt exklusiv für den russischen Geldadel entstehen. Damit die Wohnsiedlung das richtige Flair bekommt, soll auch eine künstliche Altstadt und ein Fischerdorf errichtet werden.

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Stephan Hille

Früher schufen die Sowjets große Industriestädte auf der grünen Wiese, um den Werktätigen Arbeit und Wohnraum zu geben und vor allem, um Rohstoffe wie Nickel, Erz und Kohle oder auch Gas und Öl direkt vor Ort zu fördern und zu verarbeiten. Die heute rund 450 000 Einwohner zählende Stadt Magnitogorsk im Südural ist so ein Beispiel. Unter Stalin wurde die Stadt in den dreißiger Jahren in atemberaubenden Tempo errichtet, um in Hochöfen die großen Erzvorkommen zu Stahl zu verarbeiten. Im Grunde ist Magnitogorsk ein einziges Stahlwerk mit Plattenbauten drum herum, auch "Arbeiterschließfächer" genannt. Städte wie Norilsk und Asbest in Sibirien sind ähnliche Beispiele.

Geschütztes Biotop für Millionäre

Bei Moskau soll nun bald eine neue Retortenstadt entstehen. Doch dieses Mal geht es nicht um Rohstoffe im eigentlichen Sinn, es sei denn man würde auch das Geld dazu zählen. In Moskau gibt es so viele Dollar-Milliardäre wie nirgendwo anders. Schon jetzt zieht es die Reichen in die Außenbezirke, wo sie sich prächtige Villen bauen. Nun soll eine komplette neue Stadt nur drei Kilometer westlich des Moskauer Autobahnrings entstehen, quasi als geschütztes Biotop für russische Millionäre und Milliardäre.

Eine Stadt wie aus dem Bilderbuch mitten in der Natur und doch nicht weit von Moskau und vor allem mit allen Annehmlichkeiten, die sich die finanzkräftigen Neubürger so wünschen: Jachthafen, Reitareal, Businesszentrum und viele, viele edle Restaurants.

"Rubljowo-Archangelskoje" heißt das drei Milliarden Dollar teure Projekt auf dem Reißbrett, russische Medien haben jedoch inzwischen einen anderen Namen

gefunden: "Die Stadt der Millionäre". Auf 430 Hektar sollen rund 10.000 Häuser und Luxusapartments für etwa 30.000 Einwohner entstehen. Bereits im Frühjahr soll der erste Spatenstich erfolgen. Autor und Investor der neuen Stadt ist das Moskauer Unternehmen "Nafta Moskwa". In deren Auftrag hat das britische Architektenbüro John Thompson & Partners einen "Masterplan" für das Prestige-Projekt entwickelt.

Fischerdorf und Jachthafen

Der Clou des größten kommunalen Entwicklungsprojektes in Europa: Die Neu-Stadt soll nicht einfach nur aus einer Ansammlung edler Villen und Vergnügungsstätten bestehen, sondern wie eine natürlich gewachsene Stadt aussehen. Geplant ist daher der Bau einer Zitadelle mit einer "Altstadt" drum herum. Kleine Kanäle sollen durch die frischgebaute "Altstadt" fließen und damit den Charme und die Atmosphäre von Amsterdam oder auch von St. Petersburg nach Moskau holen. "Das ist der Versuch, eine europäischere Stadt zu schaffen, die an das Moskau zu Beginn des 20. Jahrhunderts erinnern soll", erklärte kürzlich Fred London von dem britischen Architektenbüro gegenüber der "Moscow Times".

Klar, der neue russische Geldadel hat es eben lieber etwas europäisch-abendländischer, als das "byzantinisch-wilde" Moskau. Und die Vorteile für das Leben in der Millionärs-Vorstadt liegen auf der Hand: Gute Luft, reine Natur, kaum Verkehrsstaus und ein Maximum an Sicherheit. Schon jetzt soll es zahlreiche Interessenten für den Umzug in die Retortenstadt geben. Damit "Rubljow-Archangelskoje" aber nicht nur wie ein edles Ghetto für Neureiche daherkommt, soll auch noch ein kleines romantisches Fischerdorf neben dem Jachthafen und gegenüber der Zitadelle entstehen. Woher allerdings die Fischer kommen, ist bislang unbekannt, aber vielleicht gibt es ja bald Stellenanzeigen, nach dem Motto: "Fischer zum Leben in romantischer Kulisse gesucht. Erstklassige Vergütung."