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Stabwechsel in Bosnien

Zoran Pirolic27. Mai 2002

Wolfgang Petritsch übergibt nach zweieinhalb Jahren die Amtsgeschäfte als EU-Beauftragter für Bosnien-Herzegowina an seinen Nachfolger Paddy Ashdown in Sarajevo. Die Bilanz von Petritschs Amtszeit fällt gemischt aus.

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War Sachwalter eines schwierigen Amtes: Wolfgang PetritschBild: AP

In einer letzten Amtshandlung hatte Petritsch am Freitag (24.5.) elf Richter in der bosnischen Serben-Republik wegen Korruptionsverdachtes und aus politischen Gründen entlassen. Es war der letzte Amtsakt des österreichischen Diplomaten. Die Mitglieder der regierenden multi-ethnischen Koalition loben Petritsch, der für das Land viel Gutes bewirkt habe, von den nationalistischen Parteien hingegen wird er kritisiert. Petritsch selber sieht die Annäherung Bosnien-Herzegowinas an Europa als den größten Erfolg seiner Amtszeit an. In einem Interview mit der Deutschen Welle sagte er, Bosnien-Herzegowina werde immer mehr auch institutionell und politisch Teil des sich vereinigenden Europas.

Das Land wurde im April dieses Jahres vollwertiges Mitglied des Europarates, obwohl es mehrere Bedingungen nicht erfüllte. In unabhängigen Medien wird Petritsch vor allem wegen zu großer Nachgiebigkeit gegenüber der Serbischen Demokratischen Partei, SDS, kritisiert. Die SDS ist die nationalistische serbische Partei, deren Vorsitzender aus der Zeit des Krieges, Radovan Karadzic, als Kriegsverbrecher gesucht wird. Obwohl die USA vor den Parlamentswahlen im Jahre 2000 gefordert hatten, diese Partei zu verbieten, fehlte Petritsch der Mut, einen so radikalen Schritt zu unternehmen.

Nationalistische Störenfriede als Gegner

Die SDS widersetzte sich in den vergangenen Jahren am stärksten dem Umbau Bosniens in einen modernen und effizienten Staat. Das war für Petritsch aber nicht ausreichend, gegen die SDS ebenso entschieden vorzugehen, wie er das im Falle der nationalistischen Partei der bosnischen Kroaten, der Kroatischen Demokratischen Gemeinschaft, HDZ, tat. Im Jahr 2001 verbot er dem Vorsitzenden der HDZ, Ante Jelavic, und fünf weiteren Spitzenfunktionären, politische Betätigung. Der Grund: Sie hätten versucht, eine kroatische Selbstverwaltung einzuführen, einen Staat im Staate.

Petritsch war nie beliebt unter den Nationalisten in Bosnien-Herzegowina. Auch viele Bosniaken, vor allem aus der Partei der demokratischen Aktion, SDA, sind mit ihm unzufrieden. Ihrer Ansicht nach habe Petritsch mit der von ihm durchgesetzten Verfassungsreform die ethnische Teilung des Landes zementiert. Damit sei die Republika Srpska, der serbische Staat innerhalb Bosnien-Herzegowinas, der durch Aggression und Genozid entstanden ist, endgültig anerkannt worden.

Armut als Hauptproblem

Indes hat die Bevölkerung ganz andere Sorgen. Viele werfen Wolfgang Petritsch vor, die wirtschaftlichen Reformen im Lande vernachlässigt zu haben. Bosnien-Herzegowina gehört heute zu den ärmsten Ländern in Europa. "Euer Weg nach Europa ist immer noch voller Hindernisse", wandte er sich bei seinem Abschied an die bosnischen Politiker, und rief diese auf, radikale Schritte zu wagen und die nationalistischen Mythen, die Bosnien-Herzegowina so viel gekostet hätten, hinter sich zu lassen. "Ihr habt ein Ziel vor euch, und das ist Europa", rief er ihnen zu.

Petritsch fügte hinzu, dass die internationale Gemeinschaft Bosnien so lange nicht verlassen werde, bis die Institutionen des Staates stark und stabil seien. Bosnien sei auf dem richtigen und einzig möglichen Weg, dem in die EU. Sein Nachfolger Paddy Asdown stellt am Montag (27.05.) vor dem bosnischen Parlament sein Programm vor.