1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Staatsterrorismus - ja oder nein?

Marcel Fürstenau14. November 2001

Im Berliner La-Belle-Prozess wurden nach vier Jahren die Urteile gesprochen. Das Gericht musste entscheiden, welchen Anteil Libyen an dem Terroranschlag hatte.

https://p.dw.com/p/1McP
Bombenanschlag auf die Diskothek "La Belle"Bild: AP

Im Prozess um den Anschlag auf die Berliner Diskothek "La Belle" im April 1986 sind am Dienstag vier der fünf Angeklagten zu Haftstrafen zwischen 12 und 14 Jahren verurteilt worden. Sie wurden des Mordes und der Beihilfe zum Mord schuldig gesprochen. Eine der beiden angeklagten Frauen wurde nach vierjähriger Verhandlungsdauer vor dem Berliner Landgericht freigesprochen.

Damit ging nach ein Prozess zu Ende, der, unabhängig vom Urteilsspruch, in die Justiz-Geschichte eingehen wird: der sogenannte La Belle-Prozess. Benannt nach der Berliner Discothek, auf die vor gut 15 Jahren, am 5.April 1986, ein Bombenanschlag verübt wurde. Drei Menschen starben, mehr als 200 wurden zum Teil schwer verletzt. Das Tanzlokal war ein beliebter Treffpunkt vor allem von US-amerikanischen Soldaten, von denen im damals geteilten Berlin mehrere Tausend in den westlichen Sektoren der Stadt stationiert waren.

Libyens Mittäterschaft

Die Staatsanwaltschaft ist davon überzeugt, dass der libysche Geheimdienst und damit auch Libyens Staatspräsident Mummar el Gaddafi hinter dem Attentat steckt. Chefankläger Detlev Mehlis warf Libyen in seinem Plädoyer Staats-Terrorismus vor. Der La Belle-Prozess ist in mehrfacher Hinsicht ein Verfahren der Superlative und auch spektakulärer Abläufe. An 279 Verhandlungstagen sind 169 Zeugen vernommen worden, darunter über 100 Opfer des Terror-Anschlags, die als Nebenkläger auftreten. Lange Zeit ging die Verhandlung nur schleppend voran. Die Ankläger wären ohne Erkenntnisse aus den Archiven des früheren DDR-Staatssicherheitsdienstes womöglich überhaupt nicht voran gekommen. In den seit 1991 zugänglichen Stasi-Akten fanden sich Hinweise auf den Anschlag. Die Angeklagten Ali und Verena C. waren zudem langjährige sogenannte Inoffizielle Mitarbeiter (IM) des DDR-Geheimdienstes.

Die entscheidende Prozess-Wende ereignete sich im April vergangenen Jahres. Einer der Angeklagten erklärte, dass es sich bei dem Anschlag "um ein Geschenk Gaddafis an die USA" gehandelt habe. Womit er andeutete, der Bomben-Anschlag auf die Berliner Discothek 'La Belle' sei ein Racheakt gewesen. Kurz zuvor nämlich hatten die USA zwei libysche Schiffe versenkt. Für Oberstaatsanwalt Detlev Mehlis steht deshalb fest, dass es sich "auch in diesem Fall um einen Anschlag auf die Vereinigten Staaten handelt". Damit spielte er in seinem Plädoyer auf die Terror-Akte in den USA vom 11.September an.

Brief-Skandal

Für großes Aufsehen sorgte schließlich im März dieses Jahres eine Indiskretion im Umfeld des Auswärtigen Amtes. In einem anonym zugespielten Brief wurde Oberstaatsanwalt Mehlis über ein geheimes Protokoll informiert. Angeblich soll der außenpolitische Berater von Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD), Michael Steiner, von Gaddafi persönlich über die Tatbeteiligung Libyens in Kenntnis gesetzt worden sein. Regierungssprecher Uwe-Karsten Heye äußerte sich damals diplomatisch: "Dabei ging es unter anderem um Fragen der Bekämpfung des internationalen Terrorismus. Gaddafi hat sich in diesem Gespräch vom Terrorismus distanziert. Über Einzelfälle aus der Vergangenheit wurde nicht gesprochen."

Das war eine Darstellung, die dem Gericht in Berlin nicht ausreichte. Es wollte mehrere hohe Regierungsbeamte vernehmen - vergeblich. Eine Aussagegenehmigung in der öffentlichen Hauptverhandlung wird ihnen verwehrt. Der Berliner Generalstaatsanwalt Dieter Neumann warf der Bundesregierung deshalb in einem Fernseh-Interview fehlenden Aufklärungswillen vor. Vermutlich habe man eine Belastung der deutsch-libyschen Beziehungen vermeiden wollen, sagte Neumann.