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Zurück zur Staatskrise

15. Juli 2008

Auf Druck flämischer Nationalisten hat Belgiens Premierminister Yves Leterme seinen Rücktritt eingereicht. Damit ist auch die geplante Staatsreform gescheitert. Die Flamen dringen weiter auf mehr Autonomie.

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Yves Leterme (Quelle: AP)
Gibt auf: Yves LetermeBild: AP

Die belgische Regierung steht vor dem Aus. Nach nur rund vier Monaten im Amt hat Premierminister Yves Leterme am Montagabend (14.07.2008) bei König Albert seinen Rücktritt eingereicht. Leterme hatte vergeblich versucht, bis zum Dienstag eine Staatsreform auf den Weg zu bringen, die den Regionen mehr Autonomie geben sollte.

In der Fünf-Parteien-Koalition aus Christdemokraten, Liberalen, Sozialisten sowie flämischen und wallonischen Nationalisten konnte er sich damit jedoch nicht durchsetzen. "Es ist nun am König, dies zu akzeptieren", sagte ein Sprecher des christdemokratischen Regierungschefs zu dem Rücktrittsgesuch. König Albert II. hat den Rücktritt aber noch nicht angenommen. Albert habe noch nicht darüber entschieden, teilte das Könighaus am Dienstagmorgen mit.

Gescheiterte Staatsreform

Demonstration (Quelle: AP)
In Brüssel wurde im November 2007 für die Einheit des Landes demonstriertBild: AP

Leterme ist erst seit Mitte März Ministerpräsidenten von Belgien. Zuvor hatte ein monatelanger Streit über mehr Eigenständigkeit der Regionen zwischen den flämischen und wallonischen Parteien zu einer schweren politischen Krise des Landes geführt. Leterme und seine Koalition wollten den Streit beenden und so eine Spaltung des Landes verhindern. Für eine entsprechende Staatsreform hatte sich Leterme eine Frist bis Dienstag gesetzt.

Doch die Koalition konnte sich nur auf einen Haushalt sowie eine Sozial- und Wirtschaftspolitik einigen, aber nicht über die regionale Machtverteilung und die Reform von Wahlkreisen im Raum Brüssel. In Belgien fordern flämische Politiker mehr Autonomie für ihre wirtschaftlich prosperierende Region, die das französischsprachige Wallonien mit milliardenschweren Transferzahlungen subventioniert. Auch Leterme stammt aus dem niederländischsprachigen Flandern. Seine Christdemokraten bilden ein Wahlbündnis mit der flämisch-nationalistischen Partei NVA. Deren Vorsitzender Bart De Wever hatte am Montag mit einem Bruch des Bündnisses gedroht, falls die Frist zur Aushandlung einer Staatsreform verlängert werden sollte.

Neuwahlen gefordert

Karte Belgien mit Flandern und Wallonien
Bild: AP Graphics Bank/Wolf Broszies

Letermes wichtigste Koalitionspartner bedauerten das Rücktrittsgesuch. "Wir müssen mit der heutigen Regierungsmehrheit und mit Leterme als Ministerpräsident weitermachen", sagte der stellvertretende Regierungschef Didiers Reynders, Vorsitzender der frankophonen Liberalen. Die Vorsitzende der französischsprachigen Christdemokraten, Joelle Milquet, bedauerte "die unerwartete Entscheidung".

Die oppositionellen flämischen Sozialisten verlangen dagegen Neuwahlen. "Wenn Premierminister Yves Leterme nicht in der Lage ist, die Krise zu entschärfen, dann müssen Neuwahlen her", sagte die Parteivorsitzende Caroline Gennez.

Die Parteien wollen am Dienstag über die Krise beraten. Nach der Parlamentswahl am 10. Juni 2007 hatten sich die Spannungen zwischen den 6,5 Millionen Flamen und rund vier Millionen Wallonen erheblich verschärft. Es folgte ein zehnmonatige Staatskrise, die erst mit Amtsantritt von Leterme beendet werden konnte. Manche Beobachter fürchteten damals sogar, dass der 1830 gegründete Gesamtstaat zerfallen könnte. (det)