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Klage rückt näher

21. Juli 2009

Seit Anfang März steht der Bundestagsabgeordnete Jörg Tauss unter Verdacht, sich kinderpornografische Materialien besorgt zu haben. Jetzt hat die Staatsanwaltschaft ihre Ermittlungen abgeschlossen.

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Der Bundestagsabgeordnete und ehemalige SPS-Politiker Jörg Tauss (Foto: dpa)
Es wird immer enger für ihnBild: picture-alliance / dpa

Am 5. März 2009 wird alles anders für den SPD-Abgeordneten Jörg Tauss. Ermittler des Bundeskriminalamtes stehen vor seinem Abgeordneten-Büro, der Immunitätsausschuss des Bundestages hatte kurz zuvor einer Hausdurchsuchung zugestimmt. Tauss wird verdächtigt, kinderpornografische Materialien zu besitzen. Die Fahnder werden fündig. Drei DVDs entdecken sie und Fotos auf seinem Handy. Durch seine Handynummer und Berliner Wohnadresse bei einem Verdächtigen aus der Kinderpornografie-Szene waren die Ermittler auf den SPD-Politiker aufmerksam geworden.

Tauss selbst sagt einen Tag nach den Durchsuchungen, dass ihn die Vorwürfe erstaunen und dass er unschuldig sei. Er habe lediglich über die Verbreitungswege von Kinderpornografie recherchieren, Informationen aus der Szene habe er aus erster Hand bekommen wollen. Sein Ziel, so Tauss, sei es gewesen, zu zeigen, dass nicht das Internet der zentrale Verbreitungsweg sei, sondern Handy und Briefkasten. Mit vielen Experten habe er schon im Vorfeld über seine Thesen gesprochen und diskutiert. Aber während seiner eigenen Recherchen sprach er mit niemandem darüber. Das nennt Tauss aus heutiger Sicht einen Fehler.

Tauss spiele gern mit dem Feuer, meinen enge Kollegen

Wie weit dürfen Abgeordnete überhaupt gehen, wenn sie sich unabhängig informieren wollen? Zumindest nicht in der Form, in der es Jörg Tauss getan habe, meinen einige Abgeordnete. "Wir Abgeordnete haben viele Möglichkeiten, uns briefen zu lassen", sagt beispielsweise der CDU-Abgeordnete Marcus Wanderwitz. Bundeskriminalamt und Ministerien würden problemlos dabei helfen, sich zu informieren. Man könne so an das Wissen gelangen, ohne selbst Kontakt mit dem Gegenstand haben zu müssen. Kollegen, die eng mit Tauss zusammengearbeitet haben, können sich durchaus vorstellen, dass er sich das Material besorgt habe, um zu sehen, wie das gehe. Er spiele gern mit dem Feuer, heißt es hier.

Tauss in Großaufnahme (Foto: dpa)
Der Baden-Württemberger Tauss gehört seit 1994 dem Bundestag anBild: picture-alliance/ dpa

Die Staatsanwaltschaft indes sieht das anders. In der Berliner Wohnung sei einschlägiges Material außerhalb von Computern gefunden worden. Es spreche nichts dafür, dass es in irgendeiner Weise mit einer Abgeordnetentätigkeit zu tun habe, sondern das spreche für Interesse an kinderpornografischem Material.

Die Ermittlungen nehmen ihren Lauf. Jörg Tauss legt kurz nach Beginn der Untersuchungen im März seine politischen Ämter nieder, nur sein Bundestagsmandat behält er noch.

Tauss verlässt die SPD und tritt in die Piratenpartei ein

Politisch gilt zwar die Unschuldsvermutung, solange bis das Gegenteil bewiesen wird, aber der ehemalige medienpolitische Sprecher der SPD-Fraktion spürt mehr und mehr politischen Gegenwind. Aus der Fraktion, aus der Partei.

Mitte Juni ändert sich dann wieder etwas im Leben des SPD-Politikers. Der Bundestag verabschiedet mit den Stimmen der SPD und der Union ein Gesetz, dass die Zensur im Internet ausweitet im Kampf gegen die Verbreitung von Kinderpornografie. Tauss stimmt mit zwei weiteren SPD-Abgeordneten gegen das Gesetz. Aus Protest gegen die SPD-Internet-Politik tritt er wenig später, am 20. Juni, nach fast 40 Jahren Parteimitgliedschaft aus der SPD aus - und in die Piratenpartei ein. Eine Gruppe, die für Freiheit im Internet kämpft und gegen drohende Zensur.

Die Ermittlungen sind abgeschlossen - kommt es jetzt zur Anklage?

Seit dem 21. Juli sind die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft abgeschlossen. Jetzt prüfen die Anwälte des Politikers Tauss die Akten. Pikant ist allerdings, dass Tauss von einer möglichen Anklage gegen ihn aus der Presse erfuhr, ohne dass zuvor seine eigenen Anwälte die Akten gesichtet hatten. Ein Faux-Pas, den die Karlsruher Generalstaatsanwältin Christine Hügel kritisiert und als Kunstfehler bezeichnet hat. Tauss geht allerdings noch weiter und spricht von einem miserablen Stil, der mit dem Rechtsstaat nichts mehr zu tun habe.

Ob es zu einer Anklage kommt, muss der Bundestag in einer seiner Sondersitzungen am 26. August oder 8. September befinden - nach einer Empfehlung des Immunitätsausschusses des Bundestages. Gegen Jörg Tauss kann nur dann Anklage erhoben werden, wenn zuvor seine Immunität als Abgeordneter aufgehoben wird.


Autorin: Anja Fähnle
Redaktion: Martin Schrader