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Störfall im ungarischen Atomkraftwerk Paks

29. April 2003

- Energiekrise befürchtet

https://p.dw.com/p/3aKs

Budapest, 28.4.2003, BUDAPESTER ZEITUNG, deutsch

Der Störfall im Atomkraftwerk Paks Mitte April verursacht nicht nur einen Einnahmeausfall von fünfzig Millionen Forint täglich, sondern wirft auch Schatten einer Energiekrise voraus. Die Regierung versucht zu beruhigen, Fachleute halten jedoch einen Stromengpass für möglich. An der Behebung des Störfalls arbeiten inzwischen internationale Fachleute. (...)

Der beschädigte Block sollte am 6. Mai den Betrieb wieder aufnehmen. Damit rechnet jedoch niemand mehr. Die Zwangspause des Reaktors kostet 50 Millionen Forint (ca.203 000 Euro – MD) täglich - man rechnet deshalb bereits mit Verlusten von mehr als einer Milliarde Forint. Obendrein kosten die Einrichtungen, die zum Herausnehmen der Brennstäbe und zu ihrer sicheren Neulagerung notwendig sind, 450 (ca. 1,83 Millionen Euro – MD bis 500 (ca. 2,03 Millionen Euro – MD) Millionen Forint. Auch der Ersatz der beschädigten Brennstäbe kostet mehrere 100 Millionen Forint (ca. 407 000 Euro – MD).

Gegenwärtig ist noch unsicher, wer dafür aufkommt. Das Kernkraftwerk Paks ist ein staatliches Unternehmen, Eigentümer sind die Ungarischen Elektrizitätswerke (MVM). Die Betriebsstörung ist zwar auf dem Reaktorgelände, aber nicht im Meiler selbst geschehen. Sie ereignete sich bei der Reinigung der Brennstäbe, für die das französische Unternehmen Framatome ANG verantwortlich zeichnet. Die Frage der Verantwortung wird weiter dadurch kompliziert, dass die Reinigung durch deutsche Fachleute der Firma Siemens, die Framatome vor zwei Jahren erwarb, erledigt wurde. Der Vertrag zwischen Framatome und Paks enthält laut Balázs Kovács, Sprecher des Kernkraftwerks, eine Schadensersatzklausel.

Die vier Blöcke des Atomkraftwerks decken ungefähr vierzig Prozent des ungarischen Energiebedarfs. Ein Ausfall von zehn Prozent - 460 Megawatt - bedeutet prinzipiell zwar keine große Sorge, wirft aber praktische Fragen auf. Die Kernkraft aus Paks ist Ungarns billigste eigene Energiequelle, sieben Forint pro Kilowattstunde. Ungefähr soviel kostet auch der Importstrom, den bisher nur Industriekonzerne nutzen können. Dem Import setzt jedoch die geringe Netzkapazität enge Grenzen. (...)

Wenn der höhere Preis nicht auf die Bevölkerung abgewälzt werden soll, müsste eine politische Entscheidung getroffen werden. Für die Zeit bis zum 7. Mai, die ursprünglich für die Instandhaltungsarbeit vorgesehen war, wurde für den Strombedarf vorgesorgt. Danach wird voraussichtlich die erste Stufe der Energiekrise erklärt. Den Regeln zufolge muss vorher noch ein Krisenausschuss einberufen werden. In diesem sind unter anderem das Wirtschaftsministerium, die MVM, der Katastrophenschutz, Stromlieferanten und Kraftwerke vertreten.

Regierungssprecher J. Zoltán Gál zufolge gebe es für Panik keinen Grund. Es bestehe keine Strahlungsgefahr. Der Regierungssprecher reagierte damit auf Anfragen von Fidesz-Fraktionschef János Áder. Dieser wollte wissen, ob die Regierung mögliche Probleme bewältigen könne, die sich aus dem Störfall ergäben. Die Bevölkerung von Paks - mehr als 2000 der 21.000 Einwohner arbeiten im Kraftwerk - zeigte sich jedoch gelassen und gingen während der Feiertage ihren üblichen Gewohnheiten nach, wie etwa Autowaschen und dem traditionellen Begießen von Mädchen am Ostermontag mit Wasser. (fp)