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Spätes Kind der 68er wird 25

Janine Albrecht17. April 2004

Links, respektlos und konzernunabhängig - so sieht sich "die Tageszeitung". Als spätes Kind der 68er Generation erschien vor 25 Jahren die erste Ausgabe. Als "Gegenöffentlichkeit" zur bürgerlichen Presse.

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Keine Null-Nummer: Die erste Ausgabe der "taz"Bild: dpa

1977, die "bleierne Zeit" in Deutschland: In der Bundesrepublik werden RAF-Terroristen gesucht. Nachrichtensperre für die Presse und jeder Journalist hält sich dran. Aber die Linke in Deutschland will Informationen. Zum ersten Mal wird das Projekt "Tageszeitung" diskutiert. Aus den 1978 in 30 deutschen Städten gegründeten "TZ-Initiativgruppen" erscheint schließlich ein Jahr später am 17. April 1979 die "taz".

Von Anfang an dabei ist Hans-Christian Ströbele, heute für die Grünen im Bundestag. "Ein halbes Jahr habe ich der Zeitung gegeben", erinnert sich Ströbele. Auch er schrieb hin und wieder Artikel. Aber mehr noch brauchte das Blatt seine juristische Hilfe. Die Zeitungsmacher eckten immer wieder an, sie nahmen kein Blatt vor den Mund. "Die hatten hunderte Verfahren am Hals", so der Anwalt Ströbele. Und kaum Geld. Noch heute arbeiten die Redakteure für Minimallöhne.

Vom Spontiblatt zur ernsthaften Zeitung

Immer wieder macht die "taz" durch ihr besonderes Engagement für politisch Bewegendes von sich reden. Im ersten Jahr ihres Bestehens ist das Blatt führend bei den Protesten gegen das geplante Atom-Endlager im Wendland, 1981 feiert es die hunderste Hausbesetzung in Berlin und ruft zum Mietboykott auf.

Die "Ost-taz"

Nach dem Mauerfall erscheint 1989 die erste "Ost-taz". Die Herausgeber mieten in einem ehemaligen SED-Gebäude Räume und dort werden die Artikel der "taz" aufbereitet, von Ost-Redakteuren versteht sich. "Die Texte wurden eingeostet, also sie mussten hüben und drüben angepasst werden", erklärt Andreas Bull von der Geschäftsführung. "Per Post wurden dann 40.000 Exemplare im Osten vertrieben." Ein Jahr später veröffentlicht die "taz" eine Liste mit Adressen von Stasi-Mitarbeitern.

Als einzigartig in der deutschen Presselandschaft sieht sich die Zeitung auch noch heute. "Freiheit ist die Freiheit des Andersdenkenden," lautet einer ihrer journalistischen Grundsätze. Die "taz" will eine Stimme derer sein, "die gegenüber den politisch und ökonomisch Mächtigen kein Gehör finden", schreibt Peter Unfried, der stellvertretende Chefredakteur, in einem Beitrag zum Jubiläum.

Viel beachtet, wenig gelesen

Die "Tageszeitung" vom 1.10.2003
"taz" vom 1.10.2003Bild: npb

Die "taz" wurde immer viel beachtet, wenn auch nicht viel gelesen. "Sie ist so anders, dass man sie als Konkurrenz nicht recht ernst zu nehmen braucht, aber doch gern die ein oder andere Idee daraus klaut", stand einmal in der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung". Finanziell stand die Zeitung immer auf wackeligen Füßen. 1984 kämpfte sie mit der ersten schweren Finanzkrise. Die sowieso schon niedrigen Löhne wurden gekürzt. Mittlerweile hat die Zeitung eine Auflage von 60.000 Exemplaren. Finanziell gesichtert ist sie trotzdem nicht. "Wir können uns nie zurücklehnen", sagt Chefredakteurin Bascha Mika. Aber die Gründer glauben an ihre Zeitung. Die Zukunft der "taz" ist für Hans-Christian Ströbele aus vielen Gründen "sicherer als die vieler anderer Tageszeitungen in Deutschland". Das Blatt sei weniger vom Anzeigenmarkt abhängig und verfüge über eine feste Stammleserschaft. Es hat "treue Freunde", die davon überzeugt sind, dass Deutschland eine linke Tageszeitung wie diese braucht. Und diese Freunde haben die Zeitung immer aus Finanzkrisen herausgeholt.

"Zeitung der Zukunft"

Auch in Zukunft wird es die "taz" deshalb geben. Und so will das Blatt auch "keinen Jubelrückblick, sondern 25 Jahre vorausschauen", sagt Thilo Knott, der als "taz"-Redakteur für das Jubiläumsprojekt zuständig ist. Also gibt es am Jahrestag das Fiction-Blatt "Zeitung der Zukunft". Dazu haben sich die Redakteure Szenarien überlegt: Welche politischen Themen werden wohl am 17.4.2029 diskutiert? Für fünf Euro gibt es das Zukunftsblatt. Auch ein zukunftsweisender Preis, wie Andreas Bull erklärt: "Dem Spritpreis von 2029 angepasst."