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Sprache als Mittel der Macht

30. September 2003

- Moskau will über die Amtssprache Russisch seinen Einfluss im postsowjetischen Raum sichern

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Riga, 27.9.2003, LAUKU AVIZE, lett.

Vizeaußenministerin Eleonora Mitrofanowa sagte vor Moskauer Studenten folgendes: "Das Ministerium ist bereit, aktiv daran zu arbeiten, dass die Position der russischen Sprache, insbesondere im nahen Ausland, stärker wird. Unser Ziel ist es sicherzustellen, dass die russische Sprache den Status der Amtssprache in den meisten Ländern der GUS und in allen Gebieten des postsowjetischen Raumes erhält, die von Russisch sprechender Bevölkerung eng besiedelt sind."

Es ist wichtig zu wissen, dass diese Äußerungen von der Nachrichtenagentur RIA "Nowosti" verbreitet, in den offiziellen Dokumenten des Außenministeriums jedoch in keiner Weise erwähnt wurden. Das Ministerium hat aber andere Äußerungen veröffentlicht, die nämlich, die Russlands Vertreter bei der OSZE (Aleksandr - MD) Aleksejew im Ständigen Rat der OSZE gemacht hat. Er sprach über Lettland und Estland, und sein Repertoire war das übliche: Nicht-Bürger, Bildungsreformen im Jahre 2004 und Rahmenkonvention für den Schutz nationaler Minderheiten.

Russlands Ziele

Mitrofanowa und Aleksejew äußerten sich fast zum selben Zeitpunkt und beide Aussagen sind irgendwie miteinander verknüpft. Die eine bezieht sich auf die außenpolitischen Ziele Russlands, während in der anderen von den Methoden die Rede ist, die anzuwenden sind, um diese Ziele zu erreichen. Mitrofanowa sprach zu den Moskauer Studenten über Dinge, die wir im Stillen stets befürchtet haben. Russland will seinen Einfluss im so genannten postsowjetischen Raum nicht verlieren und eine Voraussetzung für die Beibehaltung dieses Einflusses ist natürlich eine mächtige Rolle der russischen Sprache. Aleksejews Auftritt wiederum zeigt, dass, was Russland betrifft, der wirksamste Weg zum Erreichen seiner Ziele der Auftritt vor internationalen Organisationen ist.

Das hat Russland in dieser Woche, direkt nach dem 20. September, an dem die Bürger Lettlands sich zugunsten des Beitritts zur Europäischen Union aussprachen, übrigens besonders aktiv getan. Abgeordnete des russischen Parlaments, darunter Ljubow Siska, Dmitrij Rogosin und Wladimir Schirinowskij, beklagten sich über Lettland und brandmarkten unser Land in verschiedenen internationalen Institutionen. Eine sehr unzufriedene Gruppe russischer Politiker besuchte uns als Teil einer Delegation der Nordatlantischen Versammlung. Möglicherweise lassen sich diese Aktivitäten mit den bevorstehenden Parlamentswahlen in Russland erklären. Das ist aber nicht der einzige Grund. Wir sehen es so, dass die Aktivitäten dieser Politiker in engem Zusammenhang mit den Zielen des russischen Außenministeriums stehen.

Lettlands Status

Was Mitrofanowas Äußerungen angeht, so können wir natürlich darüber diskutieren, ob die baltischen Staaten als Teil des postsowjetischen Raumes anzusehen sind. Lettlands Außenministerin Sandra Kalniete sagte: "Lettland wurde erst annektiert und dann gab es eine Besatzung." Die Außenministerin ist sich jedoch völlig bewusst, dass Russland eine Annexion oder Besatzung niemals zugegeben hat. Diesbezügliches Argumentieren ist für Russland aber nicht besonders wichtig.

Der Begriff "postsowjetischer Raum" ist recht dehnbar. Wenn man so will, kann man auch die osteuropäischen Länder des ehemaligen sozialistischen Blocks - Polen, die Tschechische Republik, Ungarn, Bulgarien und so weiter - dazu zählen. Die Betonung sollte in diesem Fall vielleicht auf den zweiten Teil von Mitrofanowas Äußerung gelegt werden - "die von Russisch sprechender Bevölkerung eng besiedelt sind". Dass das für Lettland gilt, können wir nicht leugnen. Von allen ehemaligen sowjetischen Republiken haben übrigens nur Weißrussland, Kasachstan und Kirgisistan der russischen Sprache einen amtlichen Status verliehen.

Die Äußerungen der stellvertretenden russischen Außenministerin werden aber nicht denen helfen, die versuchen, hier zuhause ihre "Rechte" als Russen zu verteidigen. Sie pflegten zu behaupten, dass sie Russisch nicht als offizielle Staatssprache wollen, alles, was sie wollen, sei die Wahrung ihrer Kultur und Traditionen und der Schutz der Zukunft ihrer Kinder. Nun sind sie ein wenig verwirrt. Nein, die russische Sprache darf nicht gleich zur Amtssprache werden. Zu Anfang wird es ausreichen, wenn sie Amtssprache dort wird, wo die Russisch sprechende Bevölkerung mehr als 20 Prozent der Gesamtbevölkerung ausmacht. Das wäre eine allmählicher Schritt. Moskau aber möchte alles auf einmal. Unsere Politiker haben jetzt also vieles zum Nachdenken. (Überschrift von MD) (TS)