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Über das Forschen in Höhlen

Interview: Brigitte Osterath10. Juni 2014

Forschung in Höhlen ist nicht ganz ohne, sagt Spinnenforscher Peter Jäger, vor allem, wenn mal etwas schiefgeht. Aber der Aufwand lohnt sich: Wissenschaftler können dort allerhand entdecken - Riesenspinnen etwa.

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Spinnenforscher Peter Jäger in einer Höhle (Foto: Senckenberg)
Bild: Peter Jäger/Senckenberg

Deutsche Welle: Sie sind öfters in Höhlen unterwegs, in Laos vor allem. Was treibt Sie als Spinnenforscher in dunkle Höhlen unter der Erde?

Peter Jäger: In Höhlen ist zwar die Artenvielfalt geringer als in den Bäumen im Dschungel - aber die Arten, die in den Höhlen vorkommen, haben meist eine besondere Geschichte hinter sich und können uns viel über die Evolution dieser Tiergruppen sagen.

Zum Beispiel?

Zusammen mit meinem Kollegen Helmut Steiner habe ich neun neue Arten in Laos beschrieben. Die zeigen sehr schön die Reduktion von Augen und Pigmenten: Normalerweise haben Spinnen immer acht Augen - hier waren Arten, die hatten acht, sechs, vier, zwei und auch keine Augen. Wir wollen jetzt herausfinden, wie lange es in der Evolution dauert, bis das Augenlicht bei einer Art verloren geht.

Was zeichnet die Tierwelt in Höhlen noch aus?

Verlängerte Extremitäten: Fühler und Beine. Man deutet das so: In einem dunklen Lebensraum kann man sich dann tastend besser fortbewegen und hat bessere Chancen zu überleben. Es gibt auch einige Höhlentiere, die insgesamt Größenrekorde aufstellen: Riesenspinnen, Riesenweberknechte etwa.

Spinnenforscher Peter Jäger am Wasser (Foto: Senckenberg)
Nicht immer sind Höhlen schmal und eng - sie können auch hallenförmig sein, mit See.Bild: Peter Jäger/Senckenberg

Ist Ihnen denn in solchen Höhlen nicht mulmig zumute?

Nein, gar nicht. Wenn es draußen über 30 Grad sind, dann ist es sehr angenehm, wenn wir in der Höhle bei 22 oder 25 Grad Celsius arbeiten können. Das ist für mich eine Erholung. Man muss aber natürlich auf einige Dinge achten, auf Steinschlag etwa. Und wenn es draußen gewittert hat, sollte man auch nicht in die Höhle gehen, weil dann Pegelstände stark ansteigen können und man von einer Flutwelle überrascht werden kann, die einen wegschwemmt. Diese Dinge beherzige ich aber - ich bin ja nicht lebensmüde!

Wie tief unter der Erde waren Sie schon?

Da ich kein echter Höhlenforscher bin, war ich noch nicht sehr tief, vielleicht nur 200 Meter. Aber wir waren schon in sehr langen Flusshöhlen. Das sind Karstgebiete, die über die Jahrhunderte von Flüssen und Bächen ausgewaschen wurden. Das gesamte Felssystem ist dort durchlöchert mit Gängen und Höhlen. Das bildet den Lebensraum für diese höhlenangepassten Organismen.

Kann man in den Höhlen, in denen Sie unterwegs sind, noch stehen oder müssen Sie kriechen?

Das sind zum Teil riesige Hallen, die weit mehr als 50 Meter hoch sind. Es gibt aber auch einige Stellen, die enger werden, und da muss man sich überlegen: Will ich durch diese Passage durch oder nicht? Es gibt einige Forscher, die robben auf allen vieren oder wie eine Schlange durch irgendwelche Spalten - das mach ich nicht. Nicht unbedingt, weil ich dann Platzangst bekäme, sondern weil ich sage: Das, was wir hier vorne gefunden haben, finden wir dahinter vermutlich auch.

Marokkanische Flick-Flack-Spinne (Foto: Rechenberg)
Dauernd werden neue Spinnenarten entdeckt.Bild: Prof. Dr. Rechenberg

Wie rüsten sie sich aus?

Wir haben besonders gute Höhlenlampen. Man sollte immer eine Zweitlampe dabei haben, falls mal eine ausfällt. Seile habe ich keine dabei, denn ich seile mich normalerweise nicht ab - das überlasse ich den Kollegen, die das Tag für Tag als Job machen. Ich hab aber anderes Equipment dabei, meine Alkoholgläschen und Pinzetten etwa.

Gibt es für das Höhlenbesteigen besondere Sicherheitsregeln? Etwa wie beim Tauchen: niemals alleine?

Absolut! Man sollte sich nicht alleine in unbekannte Höhlen vorwagen. Und auch in bekannte Höhlen sollte man am besten immer zu zweit gehen - denn es kann immer irgendetwas passieren. Sie rutschen aus und liegen da mit einem angebrochenen Bein - dann ist es schon besser, einen Begleiter dabei zu haben. Zum anderen sollte man in unbekannten Höhlen immer ein Feuerzeug dabei haben, damit Sie sehen, wo vielleicht Kohlemonoxid-Fallen sind, also Becken, wo sich giftiges Kohlenmonoxidgas sammelt. Da könnten Sie ersticken.

Und die Höhlen, in denen Sie schon waren?

In Laos muss man aufpassen, weil die Höhlen von den amerikanischen Militärs beschossen worden sind - Blindgänger können noch in den Höhlen liegen, angerostete Phosphorbomben. Man muss immer die Augen offenhalten.

Taucher untersuchen den Grund (Foto: EPA/INAH)
In Höhlen gibt es für Forscher viel zu entdecken - auch unter Wasser.Bild: picture-alliance/dpa

Haben Sie schon mal eine knifflige Situation erlebt?

Ja. Ich bin in eine Höhle hineingegangen, aber meine Kollegen waren relativ am Eingang stehengeblieben. Ich habe mich nicht ständig umgeguckt und daher einen Abzweig verpasst. Als ich zurückging, wusste ich plötzlich nicht mehr, welchen Abzweig ich gegangen war. Das sieht doch alles recht gleich aus. Zum Glück hatte ich einen Kompass dabei.

Ist es nicht schwer, da ruhig Blut zu bewahren?

Das stimmt, es ist nicht ganz ohne. Das Herz fängt sofort an, schneller zu schlagen - auch wenn hier die Situation ganz einfach war, die Kollegen hätten mich sicher da rausgeholt, ich hätte halt an der Kreuzung gewartet. Aber ich hab mir jetzt angewohnt, immer Kreide mitzunehmen, um an Abzweigungen zu markieren, wo ich hergekommen bin.

Haben Sie keine Angst, verschüttet zu werden?

In einer Touristenhöhle in Laos liegt tatsächlich die ganze Halle voller großer Felsbrocken, die alle von der Decke heruntergefallen sind. Als ich in dieser Höhle war, kam auch mal was runter - das mag nur ein 2-Kilo-Stein gewesen sein, aber es zieht einem die Schuhe aus, wenn man nur das Geräusch hört. Übrigens ist genau in dieser Höhle ein Kollege von mir verunglückt, der da mal herunterkriechen wollte, damit seine Frau ein Foto von ihm machen kann. Er ist fünf Meter in die Tiefe gefallen und wäre beinahe umgekommen. Aber er hat es Gott sei Dank überlebt.

Peter Jäger ist Arachnologe am Senckenberg-Forschungsinstitut und Naturmuseum in Frankfurt. In zwei Wochen bricht er erneut zu einer Höhlenexpedition auf - diesmal nach Thailand.