1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Spielball der Mafia und der Politik

22. Mai 2003

- Serbische Medien in Zeiten des Ausnahmezustandes

https://p.dw.com/p/3U3v

Köln, 11.4.2003, DW-radio / Serbisch, Filip Slavkovic

Vor einem Monat, am 12. März, wurde der serbische Ministerpräsident Zoran Djindjic durch einen Heckenschützen vor dem Regierungsgebäude in Belgrad ermordet. Djindjics sozial-liberale Regierung reagierte prompt und verhängte noch an selbem Tag den Ausnahmezustand der, so sahen es die Kritiker, teilweise auch die Medienfreiheit einschränkt.

Der Ausnahmezustand gelte nur für die Kriminellen, nicht für die Bürger, betonen serbische Minister jeden Tag aufs Neue. Nach einem Monat Fahndung glaubt die Regierung, das mafiöse Netz bestehend aus organisierter Kriminalität, Kriegsverbrechern und Anhängern des früheren Regimes von Slobodan Milosevic zerschlagen zu haben. Das - da wird man in Belgrad nicht müde zu erklären - sei nur durch den Ausnahmezustand möglich geworden. Denn nur dadurch habe man die Verbindungen zwischen der Mafia auf der einen und Teilen der Polizei, Justiz und der Staatssicherheit auf der anderen Seite aufbrechen können.

Doch der Ausnahmezustand hat auch Auswirkungen für die serbischen Medien: Sie dürfen keine Berichte oder Kommentare veröffentlichen, die die staatlichen Maßnahmen zur Kriminalitäts- und Verbrechensbekämpfung in Frage stellen. Alles andere - auch kritische Statements der Opposition - seien nach wie vor erlaubt, betont der Minister für Kultur und Medien Branislav Lecic. Die Pressefreiheit habe man nur deshalb eingeschränkt, weil die mafiösen Verbindungen zuvor bis in die Redakteursstuben von Presse, Hörfunk und Fernsehen hinein gereicht hätten, so Lecic:

"Eine der strategischen Maßnahmen dieser kriminellen Gruppe war Medienarbeit. Sie haben Medien als Instrument gesehen, um die Regierung als verräterisch, den Ministerpräsidenten als kriminell und sie selbst als Patrioten darzustellen. Dafür hatten sie einen einfachen Plan: Mit dem vielen Geld, das sie hatten, versuchten sie, Medien zu kaufen oder sich an deren Gründungs-Kapital zu beteiligen - eine Art Einfluss an der Basis. Zum anderen haben sie versucht, Journalisten zu kaufen - und sie haben tatsächliche solche Journalisten gefunden, die gegen Geld genau das geschrieben haben, was ihnen gesagt wurde. Bei anderen Journalisten haben es mit Einschüchterung und Erpressung versucht."

Und diese Strategie zeigte Wirkung: Immer wieder wurden über die Presse Berichte über angebliche Kontakte von Regierungsmitgliedern - unter anderem auch von Zoran Djindjic - mit der Mafia verbreitet. Zugleich streuten sie ständig Gerüchte über bevorstehende Massenverhaftungen mutmaßlicher Kriegsverbrecher. Diese Gerüchte nahm die konservativ-nationalistische Opposition zum willkommenen Anlass, der Regierung Verrat am serbischen Volk vorzuwerfen.

Dennoch war es eine Minderheit der Medien, die aktiv an derartigen Kampagnen gegen die Reform-Politiker teilnahmen. Die meisten davon hätten jedoch nur wenig Einfluss auf die öffentliche Meinung gehabt, meint Milica Lucic-Cavic, die Vorsitzende des Unabhängigen Journalistenverbandes Serbiens:

"Was die wirklich professionellen, was die unabhängigen Medien angeht, da hat sich gar nichts geändert. Diese Medien haben niemals jemanden diskreditiert, haben keine Falschmeldungen verbreitet. Ich glaube deswegen, dass dieser Ausnahmezustand gerade die Teile der Presse getroffen hat, vor denen wir schon lange gewarnt haben, weil sie absichtlich Leute aus der Regierung diskreditiert haben, weil sie Falsch-Meldungen und Tratsch verbreitet haben."

Milica Lucic-Cavic hat deshalb Verständnis für die jetzigen Maßnahmen zur Einschränkung der Pressefreiheit. Es sei zu rechtfertigen, meint sie, "... dass es in außergewöhnlichen Umständen notwendig ist, alles zu tun um festzustellen, ob nicht eine Art von Rufmord gegen den ermordeten Ministerpräsidenten Zoran Djindjic und der Regierung in Serbien organisiert worden ist."

Trotzdem kam es vor eine Woche zum Streit zwischen der Regierung und unabhängigen Medien: Aus dem Ministerium für Kultur und Medien war durchgesickert, man erwäge, eine spezielle Kommission für Ermittlungen gegen die Presse zu gründen. Nach kurzem Aufschrei der Medienschaffenden sagte Minister Lecic:

"Es gibt keine Kommission. Wir im Ministerium unterstützen die Fahndung, weil uns dazu Artikel 9 des Ausnahmezustands-Gesetzes dazu verpflichtet. Also, wir analysieren die Presse- und Medienberichte der letzten sechs Monate, teilweise aber auch zurückreichend bis in die Zeit des Regierungswechsels vom 5. Oktober 2000. Dieses Material werden wir, wenn die ganze Geschichte zu Ende ist, dem parlamentarischen Kultur- und Informations-Ausschuss präsentieren. Der kann dann, wenn er will, eigene Analysen machen. Es geht hier nicht darum, Druck auszuüben oder irgend einen Chefredakteur oder Direktor zu sanktionieren." (fp)