1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

"Spiegel" begründet Streichung von "Finis Germania"

26. Juli 2017

Erst auf Platz sechs, dann plötzlich verschwunden: Das umstrittene Sachbuch "Finis Germania" fehlt auf der aktuellen Bestsellerliste. Jetzt hat die Chefredaktion des Nachrichtenmagazins Stellung genommen.

https://p.dw.com/p/2h9Tc
Buchcover 'Finis Germania' von Rolf Peter Sieferle
Bild: Verlag Antaios

In einer Erklärung "in eigener Sache" schreibt die stellvertretende Chefredakteurin Susanne Beyer, ohne die Empfehlung des "Spiegel"-Redakteurs Johannes Saltzwedel für die "Sachbücher des Monats" im Juni hätte es das Werk des 2016 verstorbenen Autors Rolf Peter Sieferle "unserer Einschätzung nach nicht in die Liste geschafft". Die Bestsellerliste stütze sich zwar auf Verkaufszahlen, werde aber von vielen als Empfehlungsliste verstanden. "Insofern haben wir in diesem Fall eine besondere Verantwortung." Der Eingriff bleibe aber eine "absolute Ausnahme".

In der aktuellen Bestsellerliste des Magazins (Ausgabe 30) kommt das Buch nicht mehr vor. Noch eine Woche zuvor stand der Titel bei den Sachbüchern erstmals auf Platz sechs. Der „Spiegel" hatte die Streichung zunächst nicht begründet und sich erst nach öffentlicher Kritik über eine Sprecherin dazu geäußert. Dass die Maßnahme nicht transparent gemacht wurde, begründete der "Spiegel" damit, dass man"Finis Germania" keine weitere Aufmerksamkeit verschaffen wollte: "Der "Spiegel", der sich auch bei historischen Themen als Medium der Aufklärung versteht, will den Verkauf eines solchen Buches nicht fördern," so Beyer in ihrer Stellungnahme.

Verwerfungen innerhalb der Jury

"Finis Germania" gilt als antisemitisch. In seinem Essayband stellt Sieferle den Holocaust in eine Reihe von Großverbrechen des 20. Jahrhunderts und spricht vom "Auschwitz-Mythos". Susanne Beyer hatte die Texte in einer  "Spiegel"-Besprechung  als "rechtsradikal, antisemitisch und geschichtsrevisionistisch" bewertet. Die "Zeit" attestierte "völkisches Geraune, eine Führerbunker-Melancholie und bebende Schicksalsdramatik".

Johannes Saltzwedels Empfehlung für die "Sachbücher des Monats" hatte innerhalb der Jury erhebliche Verwerfungen ausgelöst. Saltzwedel trat aus dem Gremium zurück, "NDR" und „SZ" setzten die Veröffentlichung der Bestenliste aus. Warum es "Finis Germania", erschienen im Kleinverlag "Antaios", überhaupt in die "Sachbücher des Monats" schaffen konnte, schilderte die "SZ" in einer Reaktion auf die "Spiegel"-Erklärung: "In das Ranking, das per Punktesystem ohne Debatte gebildet wurde, kam das Buch, weil ein einziges Jurymitglied, ein "Spiegel"-Redakteur, über drei Monate hinweg für 'Finis Germania' gestimmt hatte." Die Jury werde nun ihr Verfahren ändern. Ihr gehören derzeit mehr als zwanzig Print- und Rundfunk-Journalisten sowie Wissenschaftler an.

Die Diskussion um Sieferles Werk hat mittlerweile auch das Ausland erreicht. In einem Kommentar für die "New York Times" bezeichnet Christopher Caldwell Sieferle als "Deutschlands neuesten Antihelden". Er setzt die Ablehnung der Kritiker in Kontrast zur Kaufbereitschaft der deutschen Leser und kommt zu dem Schluss: "Dies ist ein Zeichen dafür, dass das Misstrauen gegenüber der Obrigkeit  in Deutschland ein besorgniserregendes Niveau erreicht hat."

ka/suc (dpa/Der Spiegel/SZ/NYT)