Spezialist für heikle Missionen
25. Februar 2005Sein spektakulärster Coup war die Befreiung von 90 Geiseln der entführten Lufthansa-Maschine "Landshut" in Mogadischu im Oktober 1977. Hans-Jürgen Wischnewski, damals Staatsminister im Kanzleramt, gelang mit Einfühlungsvermögen und Kenntnissen der islamischen Mentalität ein Aufschub des Ultimatums der Entführer bis zur Dunkelheit. So lieferte er eine optimale Voraussetzung für die dann erfolgte Befreiungsaktion der GSG-9.
Legendär geworden sind die Worte, mit denen Wischnewski den damaligen Bundeskanzler Helmut Schmidt unmittelbar nach dem Einsatz am Telefon über die Vorgänge unterrichtete: "Die Arbeit ist erledigt."
Ein großer Staatsmann
Doch schon lange zuvor hatte sich der Vollblutpolitiker 1970 in der jordanischen Hauptstadt Amman erfolgreich für die Freilassung von Geiseln palästinensischer Extremisten eingesetzt. 1981 hatte er in El Salvador eine politische Lösung im Bürgerkrieg sondiert, in Nicaragua nahm er 1987 an Verhandlungen mit den Contra-Rebellen teil, die nach Jahren blutiger Wirren zu freien Wahlen führten.
Kanzler Gerhard Schröder hat Hans-Jürgen Wischnewski als "großen Staatsmann" gewürdigt. "Ben Wisch" habe schon früh die strategische Bedeutung der deutsch-arabischen Beziehungen erkannt, sagte Schröder in Berlin. Er habe sich in "zupackender Weise" als "Brückenbauer" hervorgetan und den Dialog zwischen den Kulturen vorangetrieben und sich damit, "hohes Ansehen auch in der arabischen Welt erworben".
Kenner der arabischen Welt
Wischnewski war am Donnerstag im Alter von 82 Jahren in der Kölner Uni-Klinik gestorben. Er hatte Mitte Februar in Folge eines Infekts schwere Atemnot bekommen und musste von Ärzten wiederbelebt werden. In der Kölner Klinik wurde er daraufhin in ein künstliches Koma versetzt. In den darauffolgenden Tagen hatte sich sein Gesundheitszustand zunächst wieder gebessert.
Noch Ende 2004 hatte Wischnewski an der Beerdigung seines alten politischen Weggefährten, des palästinensischen Präsidenten Jassir Arafat in Ramallah teilgenommen. Der frühere Bundesgeschäftsführer der SPD hatte sich vor allem als diskreter Krisenmanager und Kenner der arabischen Welt einen Namen gemacht.
SPD: Vorstand und Präsidium
Zur SPD hatte der am 24. Juli 1922 geborene Sohn eines Zollbeamten als gewerkschaftlich engagierter Metallarbeiter gefunden. Seine persönliche und politische Heimat wurde nach der Rückkehr aus dem Krieg Köln, wo er zunächst als Gewerkschaftssekretär tätig war.
1957 kam Wischnewski erstmals in den Bundestag, 1966 wurde er als Nachfolger von Walter Scheel Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit. Von diesem Amt trat er zurück, als er im Juni 1968 Bundesgeschäftsführer der SPD wurde. 1970 kam er in den SPD-Parteivorstand und war seither auch Mitglied des SPD-Parteipräsidiums.
Gedenkminute im Bundestag
Der sozialliberalen Regierung Helmut Schmidt gehörte Wischnewski ab 1974 als Parlamentarischer Staatssekretär im Auswärtigen Amt mit dem Titel "Staatsminister" und dem Arbeitsbereich "Europa" an. Nach der Bundestagswahl 1976 wechselte er als Staatsminister ins Kanzleramt und war dort unter anderem mit der Koordinierung der Deutschland- und Berlin-Politik befasst.
Der Bundestag hat den verstorbenen SPD-Politiker am Freitag mit einer Gedenkminute gewürdigt. "Seine menschliche Art und seine politischen Fähigkeiten haben ihn über Parteigrenzen und über Ländergrenzen hinaus zu einem der beliebtesten und anerkanntesten Politiker der vergangenen Jahrzehnte gemacht", sagte SPD-Chef Franz Müntefering. "Wir trauern um einen hervorragenden Vertreter Deutschlands in der Welt", erklärte Joschka Fischer. (mb)