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Spence: "Paralympics größer als Pistorius"

André Leslie11. September 2014

Das Urteil gegen Oscar Pistorius wirft einen Schatten auf die Paralympische Bewegung. Im DW-Interview spricht Craig Spence vom Internationalen Paralympischen Komitee (IPC) über den Fall Pistorius und die Folgen.

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Craig Spence Pressesprecher IPC
Bild: Luc Percival photography

Was war Ihre Reaktion, als Sie im Februar 2013 hörten, dass Oscar Pistorius seine Freundin Reeva Steenkamp erschossen haben soll?

Unsere Reaktion war damals die gleiche wie heute: Wir waren geschockt und voller Mitleid. Geschockt, dass einer unserer führenden paralympischen Athleten in einen solchen Fall verwickelt ist. Und Mitleid für die Familie von Reeva Steenkamp, dem Opfer dieses tragischen Zwischenfalls. Oscar war jemand, den wir kannten. Und zu sehen, dass jemand, den man kennt, in solch einen Fall verwickelt ist, ist ein großer Schock.

Wie haben sich der Fall Pistorus und der anschließende Prozess auf die Paralympische Bewegung auswirkt?

Nachdem wir den ersten Schock überwunden hatten, haben wir alles daran gesetzt, zwischen den täglichen Aktivitäten der Paralympischen Bewegung und dem, was in Oscars Privatleben passierte, zu unterscheiden. Denn das Privatleben von Oscar Pistorius hat nicht wirklich etwas mit dem IPC zu tun. Wir haben weitergemacht wie zuvor und beobachtet, wie der paralympische Sport seit London 2012 florierte und erfolgreich war.

Wie wichtig war Oscar Pistorius für die Paralympische Bewegung?

Oscar war entscheidend für die Paralympische Bewegung, besonders in der Zeit von Peking 2008 bis London 2012. Er hat so viele Menschen inspiriert, sich im paralympischen Sport und überhaupt im Sport zu engagieren und aktiv zu werden. Allerdings: Bei den Paralympics 2012 in London war er nicht der alleinige Star. Viele andere Athleten hatten den Durchbruch geschafft und von seiner Pionierarbeit seit den Spielen in Peking 2008 profitiert.

Leichtathletik-WM 2011 Oscar Pistorius (Foto: dpa)
Durch Teilnahme an Wettkämpfen der Nichtbehinderten sorgte Pistorius für AufsehenBild: picture-alliance/dpa

Haben Sie dennoch das Gefühl, dass der Vorzeigeathlet des paralympischen Sports Sie im Stich gelassen hat? Immerhin haben Sie eine Menge investiert, um sein Image in der ganzen Welt aufzubauen.

Lustigerweise hat das IPC gar nicht so viel Zeit investiert, um Oscar Pistorius zu promoten. Er war als Marke bereits stark genug. Unsere Strategie bestand in den vergangenen fünf Jahren vielmehr darin, andere Athleten aufzubauen. Denn die Paralympische Bewegung ist größer als eine einzelne Person. Wir haben deshalb Wert darauf gelegt, das Profil anderer Athleten zu schärfen. Man muss vielleicht daran erinnern, dass Oscar 2012 an den Olympischen Spielen teilgenommen hat. Das hat dem Ansehen der Paralympics natürlich extrem gut getan. Aber bei den Paralympics hat er anschließend nur eine Einzel-Goldmedaille bei drei Starts gewonnen. Das zeigt, dass es auch andere paralympische Athleten gibt, die ihn schlagen können.

Braucht die Paralympische Bewegung derzeit einen neuen Superstar? Möglicherweise erneut jemanden, der es auch zu den Olympischen Spielen schaffen könnte?

Die Leichtathletik-Weltmeisterschaften der Behinderten im vergangenen Jahr haben gezeigt, dass es eine ganze Menge Stars gibt. Alan Oliveira, der Oscar Pistorius in London über 200 Meter besiegt hat, zum Beispiel. Er hat die bisherigen Weltrekorde über 100 und 200 Meter regelrecht pulverisiert. Tatsächlich war seine 200-Meter-Zeit die fünftbeste, die jemals von einem Brasilianer - behindert oder nichtbehindert - gelaufen wurde. Er ist momentan der Superstar, und er hat eine Menge sehr guter Gegner, die ihn bis zu den Paralympics 2016 in Rio vor sich hertreiben werden. Ich glaube nicht, dass es unbedingt nötig ist, einen paralympischen Athleten zu haben, der auch an den Olympischen Spielen teilnimmt, weil die Leistungen, die bei den Paralympics gezeigt werden, heutzutage so stark sind wie nie zuvor.

Großbritannien Paralympics Brasilien Südafrika Alan Oliveira und Oscar Pistorius (Foto: Emilio Morenatti/AP/dapd)
Duell zwischen Pistorius (r.) und Oliveira (l.) 2012 in LondonBild: dapd

Craig Spence ist der Mediendirektor des Internationalen Paralympischen Komitees, das seinen Sitz in Bonn hat.

Das Interview führte André Leslie