1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Wie besonders ist die Entdeckung von Kepler-452b?

Hannah Fuchs24. Juli 2015

Wieder wurde ein erdähnlicher Planet entdeckt, Kepler-452b, und von der NASA als "größerer Cousin der Erde" bejubelt . Wir haben die Planetenexpertin Heike Rauer vom DLR gefragt, wie besonders dieser Fund wirklich ist.

https://p.dw.com/p/1G43j
Illustration des Kepler-Satelliten vor Planeten (Foto: picture alliance).
Bild: picture-alliance/ZUMAPRESS/NASA/Ames/JPL-Caltech/T. Pyle/Handout

Deutsche Welle: Bei dem neu entdeckten Planeten Kepler-452b ist immer von "erdähnlich" die Rede. Was genau bedeutet das überhaupt?

Heike Rauer: Im eigentlichen Sinne bezeichnen Sie als erdähnlich einen Planeten, der unserer modernen Erde ähnlich ist. Das heißt, er muss ein Gesteinsplanet sein, er muss eine Atmosphäre mit Sauerstoff haben, er muss flüssiges Wasser auf der Oberfläche haben. Außerdem muss er auch den richtigen Abstand von seinem Stern haben - nämlich ungefähr so weit weg wie die Erde von der Sonne - mit einem Jahr Umlaufperiode. Und wenn man dann auch noch durch Sauerstoff zum Beispiel nachweisen kann, dass da wirklich Leben sein könnte - dann wär's ein echter erdähnlicher Planet.

Und welche Merkmale kann man bei Kepler-452b nun schon konkret nachweisen?

Wir wissen, dass dieser Planet 1,6 Mal so groß ist wie die Erde. Was wir auch wissen ist, dass der Planet alle 385 Tage wieder durch die Sichtlinie kommt. Das ist unserem Erden-Jahr schon ganz ähnlich. Und da der Stern auch ein sonnenähnlicher Stern ist, haben wir jetzt tatsächlich einen Planeten, der etwas größer ist als die Erde, der aber in einem ähnlichen Abstand um seine Sonne kreist.

... aber über seine Beschaffenheit wissen wir noch nichts?

Nein. Die kann man nur messen, wenn die Sterne der Planetensysteme hell genug sind - und das ist bei den Kepler-Systemen in der Regel nicht der Fall - so auch hier. Die Kollegen in den USA, die diese Entdeckung gemacht haben, haben die Masse auf Grundlage von statistischen und theoretischen Überlegungen geschätzt. Sie kommen zu dem Ergebnis, dass die Wahrscheinlichkeit eines Gesteinsplaneten ungefähr bei 50 Prozent liegt.

Es könnte aber auch ein kleiner Gasplanet sein. Da fängt es dann an, unsicher zu werden. Was wir nicht wissen, ist, ob Kepler-452b überhaupt eine Atmosphäre hat und wie die zusammengesetzt ist.

Können wir das denn herausfinden - zeitnah?

Die Forschung geht jetzt in Schritten weiter. Der Kepler-Satellit hat uns überhaupt gezeigt, dass es möglich ist, einen Planeten, der so weit weg ist, zu entdecken.

Darüber bin ich sehr froh - denn wir wollen die Nachfolge-Mission von Kepler bauen, die in zehn Jahren starten wird. Das ist die europäische PLATO-Mission. Und damit wollen wir im Prinzip das gleiche machen wie Kepler, mit der gleichen Methode Planeten finden. Aber wir wollen Planeten finden um Sterne, die so hell sind, dass wir hinterher die Massen bestimmen können. Dann wissen wir wenigstens, dass es Gesteinsplaneten sind. Und dann müsste man in einem weiteren Schritt - einer nächsten Satellitenmission - deren Atmosphäre messen.

Der große Traum, den wir Wissenschaftler hatten - dass wir das alles ganz schnell herausfinden können - hat sich leider als ein mühseliger Weg erwiesen: Wir müssen Schritt für Schritt vorgehen.

Also ist es jetzt noch weit weg, dass wir mehr zu Kepler-452b herausfinden?

Sagen wir es so: Die nächste Mission - zur Charakterisierung eines Gesteinsplaneten - starten wir in zehn Jahren.

Atmosphären von Planeten kann man heute schon messen, aber nur für Gasplaneten. Die Technologie, um das auch bei Gesteinsplaneten zu machen, die haben wir heute noch nicht. Die ist in der Entwicklung.

In 20, 30, 50 Jahren wird die Technologie so weit sein, dass wir eine solche Satellitenmission starten können. Es sind keine Hunderte von Jahren mehr - also schon erlebbar für uns. Und das ist eigentlich das Faszinierende.

Wie ist denn die Entdeckung von Kepler-452b einzuordnen - ist das ein Meilenstein in der Weltraumforschung oder eher "ferner liefen"?

Naja, es ist ein weiterer Fortschritt. Wir sind jetzt von einem (möglicherweise) Gesteinsplaneten, der etwas innerhalb der Erdbahn ist, auf einen (möglicherweise) Gesteinsplaneten gekommen, der wirklich ziemlich genau Erdbahn-ähnlich ist. Ansonsten wissen wir nicht viel mehr. Für mich wäre der Meilenstein, zu sagen: "Wir haben nicht nur den Radius, sondern auch die Masse." Aber das ist hier eben noch nicht gegeben.

Was halten Sie denn von der Berichterstattung der NASA - oder von den anderen Medien, die diese Nachricht so bejubeln?

Also die Publikation der Kollegen selbst ist sehr differenziert. Die stellt die Dinge so dar, wie sie sind, und betont auch, wo sie spekulieren und wo nicht. Aber wie das bei der Presse so oft ist: Spekulationen sind natürlich spannender als die nackten Tatsachen. Deshalb ist es auch etwas schade, wenn heute schon sehr viel verbrannt wird an Nachricht, die wir tatsächlich in den nächsten Jahrzehnten erwarten.

Denn wenn wir dann wirklich die zweite Erde haben - wir sicher sind, es ist ein Gesteinsplanet, und es wirklich Anzeichen einer Atmosphäre gibt - dann wird man sich an viele, viele zweite Erden erinnern, die bis dahin schon in der Presse waren. Das ist dann natürlich schade. Wir greifen vor, in unserer Fantasie - aber das ist vielleicht auch menschlich, nicht wahr?

Das stimmt wohl. Wenn wir nun noch etwas weiterspinnen: Für wie wahrscheinlich halten Sie es, dass es Leben auf diesem neu entdeckten Planeten gibt?

Da gibt es die Fraktion, die das für sehr, sehr unwahrscheinlich hält - weil da zu viel zusammenkommen muss - und dann gibt es andere, die sagen, "auf der Erde gibt es Leben überall, in jeder möglichen Nische".

Ich denke schon, dass das möglich ist. Vielleicht will ich es aber auch nur für unwahrscheinlich halten, dass wir hier alleine sind. Aber was ich wirklich faszinierend finde, ist, dass wir wirklich anfangen können, das zu untersuchen.

Und das ist der tatsächliche Meilenstein. Wir müssen überlegen, dass wir die erste Generation von Menschen sind, die wirklich wissen, dass es Planeten außerhalb des Sonnensystems gibt. Und mit fortschreitender Technologie werden wir diese Frage irgendwann - in nicht allzu ferner Zukunft - beantworten können.

Ist es denn dann auch vorstellbar, dass wir jemals zu diesem Planeten reisen können?

Nein. Dieser Planet ist über 1400 Lichtjahre entfernt - das heißt, dass Licht braucht schon über 1000 Jahre um von dort hierher zu kommen. Und da wir längst nicht so schnell reisen können wie das Licht, wäre das für uns einfach viel zu weit. Es würde viele, viele Millionen Jahre brauchen. Das erschwert es leider, etwas über diese Systeme zu lernen.

Prof. Dr. Heike Rauer ist Leiterin der Abteilung Extrasolare Planeten und Atmosphären im DLR-Institut für Planetenforschung. Daneben leitet sie außerdem das Instrumentenkonsortium der PLATO-Mission. Die Europäische Weltraumorganisation ESA hat dieses Projekt 2014 unter fünf vorgeschlagenen Missionen ausgewählt. Spätestens ab 2024 soll das Weltraumteleskop dann nach einer zweiten Erde suchen.

Das Interview führte Hannah Fuchs.