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SPD setzt auf Flüchtlingskontingente

Richard A. Fuchs, Berlin 10. Dezember 2015

Nach dem ersten Tag des SPD-Parteitages steht fest: Die Sozialdemokraten wollen die Flüchtlingskrise durch Investitionen und Kontingentlösungen meistern. Der Kampf gegen den Terror spaltet die Partei aber weiter.

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Eine Änderung des Asylrechts gibt es mit der SPD nicht, sagt Sigmar Gabriel. SPD-Parteichef (Foto: Bernd von Jutrczenka)
Eine Änderung des Asylrechts gibt es mit der SPD nicht, sagt Parteichef Sigmar GabrielBild: Reuters/F. Bensch

Der erste Tag des SPD-Bundesparteitages in Berlin ist vorbei - und schon jetzt ist eines deutlich: Die Sozialdemokraten wollen sich gegenüber dem Regierungspartner CDU und CSU stärker abgrenzen. 600 Delegierte und 400 internationale Gäste waren ins Messezentrum CUBE nach Berlin gekommen, um über 900 Anträge der Partei zu beraten.

Viele der Anträge zeigen auf, wo der Streit vorprogrammiert ist - insbesondere bei der Flüchtlingspolitik. Für Malu Dreyer, Ministerpräsidentin aus Rheinland-Pfalz, bedeutet dies: Mit den Sozialdemokraten wird es keine Obergrenzen für den Flüchtlingszuzug geben. Etwas, was besonders die bayrische CSU und Teile der CDU mit Nachdruck fordern, um die Kommunen in Deutschland zu entlasten.

Gabriel: "Helfen, helfen, helfen"

Auch die SPD will den Zuzug von Flüchtlingen begrenzen - dies soll allerdings mit EU-weiten Kontingenten und ohne Einschränkung des Asylrechts erreicht werden. "Mit Kontingenten können die Menschen auf sicheren Wegen nach Deutschland kommen - besser planbar und besser steuerbar für uns", sagte Dreyer. Sie hob hervor, dass das Recht auf Asyl nicht verhandelbar sei.

Ein Änderung des Asylrechts werde es mit Zustimmung der SPD deshalb nicht geben, betonte auch SPD-Parteichef Sigmar Gabriel. Stattdessen gelte es, in der Türkei, im Libanon und im Irak eins zu tun: "Helfen, helfen, helfen." Statt Scheindebatten zu führen, sollte hierzulande bei der Integration der Flüchtlinge angepackt werden, sagte Dreyer: "Es ist die SPD, die klare Vorstellungen davon hat, wie Integration funktionieren kann." Auch bei der Frage, wie die Flüchtlinge in Arbeit zu bringen seien, zeige die SPD Haltung.

Setzen sich für einen humanen Flüchtliungskurs ein: Sigmar Gabriel und Malu Dreyer (Foto: DPA)
Setzen sich für einen humanen Flüchtliungskurs ein: Sigmar Gabriel und Malu DreyerBild: picture-alliance/dpa/B. Jutrczenka

Forderungen aus der Union, den Mindestlohn für Flüchtlinge auszusetzen, um sie besser in den Arbeitsmarkt zu integrieren, erteilte Dreyer für ihre Partei eine Abfuhr: "Der Mindestlohn ist gerade jetzt ein Garant, dass Zuwanderung nicht zu einem Überbietungswettbewerb um Niedriglöhne wird."

SPD-Kurs sei auch, den Familiennachzug für syrische Flüchtlingsfamilien nicht begrenzt werde. Das sei keine Frage der Mathematik, sagte Dreyer, sondern eine Frage der Menschlichkeit. Aydan Özoğuz, SPD-Staatsministerin für Integration und Flüchtlinge, ergänzte: "Mit uns gibt es keinen Rabatt bei den Menschenrechten."

Gute Laune gab es nur für die PR-Plakate. Ansonsten herrscht nüchterne Stimmung beim SPD-Parteitag (Foto: Reuters)
Gute Laune gab es nur für die PR-Plakate. Ansonsten herrscht nüchterne Stimmung beim SPD-ParteitagBild: Reuters/F. Bensch

Wo diese Menschlichkeit gebraucht wird, das konnte die SPD-Parteispitze direkt vor der Messehalle erleben. SPD-Parteichef Sigmar Gabriel und Familienministerin Manuela Schwesig besuchten wenige Meter neben dem Konferenzort eine Halle, in der 1000 Flüchtlinge untergekommen sind. Hannelore Kraft, SPD-Ministerpräsidentin aus Nordrhein-Westfalen, kommentierte das mit den Worten: "Die Willkommenskultur lebt und wir lassen auch nicht zu, dass das Ende dieser Willkommenskultur herbeigeredet wird."

Zahleiche Redner betonten, dass die gelebte Willkommenskultur auch einen neuen gesetzlichen Rahmen brauche. In diesem Zusammenhang setzt sich die Partei weiter für ein Einwanderungsgesetz ein, was bestehende Regeln bündelt.

Steinmeier: "Wir tragen Verantwortung"

Mit Spannung erwartet wurde, wie stark die Parteibasis mit der Entscheidung zum Bundeswehr-Einsatz in Syrien ins Gericht gehen würden. Eine Delegierte brachte dies zum Ausdruck, indem sie fragte: "Glaubt wirklich jemand, dass dieser Einsatz reichen wird?" Kritik an der Entscheidung wies SPD-Außenminister Frank-Walter Steinmeier zurück. SPD-Politik sei, sich nicht vor der Verantwortung schwieriger Entscheidungen wegzuducken. "Ich bin stolz darauf, dass wir in diesen Zeiten diese Last tragen."

Man könne nicht die Augen davor verschließen, dass der "Islamische Staat" eine politische Lösung nicht wolle. Die Linkspartei, die im Bundestag gegen diesen Einsatz stimmte, attackierte der SPD-Außenminister scharf. "Heuchler, Abenteurer und Wolkenschieber" seien hier am Werk. Die schürten Ängste in der Bevölkerung, hätten aber keine politischen Lösungen anzubieten. "Wir tragen Verantwortung auch für das, was wir unterlassen."

Frank-Walter Steinmeier halt eine emotionale Rede beim SPD-Parteitag (Foto:Reuters)
Außenminister Frank-Walter Steinmeier verteidigt den deutschen Kampfeinsatz in SyrienBild: Reuters/F. Bensch

Steinmeier, der viel Lob für sein Engagement bei der Befriedung der Konflikte in der Ukraine, Libyen und Syrien erhielt, skizzierte, wie er sich die Schwerpunkte der deutschen Außenpolitik mit sozialdemokratischer Note vorstellt. Der Kurs sei, eine unfriedliche Welt ein Stück friedlicher zu machen. Dazu gehöre, dass der Schlüssel zu Lösung vieler Konflikte in einer abgestimmten Haltung der Europäischen Union liege - trotz allem Streit um die Verteilung von Flüchtlingen innerhalb der EU.

Auch mit Russland gelte es zu sprechen - trotz aller Schwierigkeiten. "Wir werden mehr Dialog mit Russland pflegen - nicht weniger." Sündenböcke für internationale Krisen dagegen bei Muslimen oder Flüchtlingen zu suchen, wie es Rechtsextreme und Populisten täten, sei "schäbig". Die SPD wolle "umfassende und vernünftige" Antworten anbieten.

Die Syrien-Friedensverhandlungen in Wien seien dafür ein Spiegelbild sozialdemokratischer Außenpolitik - mit Saudi-Arabien und dem Iran am Verhandlungstisch. "Die Tatsache, dass wir sie am Tisch haben und dass wir sie da nicht wieder weggehen lassen, das ist der eigentliche Fortschritt."

Steinmeier schwor seine Partei darauf ein, den Glauben an eine politische Lösung im Syrien-Konflikt nicht zu verlieren. Der Militäreinsatz der Bundeswehr sei Mittel zum Zweck, um politische Lösungen in Zukunft wieder zu ermöglichen: "Wenn wir eine politische Lösung wollen, muss vom syrischen Territorium etwas übrig bleiben."

Er appellierte an die Parteibasis, die gestiegene außenpolitische Verantwortung Deutschlands mitzutragen, auch wenn sie politische Zwickmühle wie in Syrien nach sich ziehen würden. "Deutschland muss Verantwortung tragen, nicht weil wir uns Verantwortung anmaßen, sondern weil wir sie schlichtweg haben."

Er würdigte den verstorbenen Altkanzler Hemut Schmidt: Altkanzler Gerhard Schroder (Foto: Bernd von Jutrczenka)
Altkanzler Gerhard Schroder würdigte den verstorbenen Altkanzler Hemut SchmidtBild: picture-alliance/dpa/B. von Jutrczenka

Altbundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) würdigte auf dem Parteitag drei besondere Sozialdemokraten, die im zurückliegenden Jahr gestorben sind und die alle für Deutschland Verantwortung trugen. Egon Bahr, Günter Grass und Altbundeskanzler Helmut Schmidt seien "drei große Deutsche, in deren Lebensläufen sich die Geschichte konzentriert", sagte Schröder bei seiner Laudatio. Mit Verweis auf die vielen aktuellen Krisen fügte er hinzu: Das Credo dieser drei Persönlichkeiten sei zeitgemäßer denn je - und sollte Richtschnur für seine Partei bleiben: "Ohne Frieden ist alles nichts."