SPD im Sinkflug
4. Mai 2007Kurt Beck, der SPD-Vorsitzende, hat eine charakterliche Wandlung erfahren, sagen viele Genossen. Früher ganz der schulterklopfende, volksnahe Gemütspfälzer sei er mittlerweile leicht reizbar geworden und mitunter sogar rüpelhaft und laut. So erregte er sich kürzlich vor der Berliner SPD-Fraktion über diverse politische Vorstöße von Koalitionskollegen der CDU/CSU, sprach vom "Casus Belli", vom Kriegfall, wenn das nicht aufhöre und die Union sich nicht an den Koalitionsvertrag halte.
Union als Steuersenker
In der Tat spielt die Union seit einiger Zeit ein taktisches Spielchen mit den Sozis. Und das geht so: Öffentlich einen Vorschlag machen, Reaktion der SPD abwarten (die meistens nicht sehr populär ist) und dann den Vorschlag nicht weiter verfolgen. Ein Beispiel: Wirtschaftsminister Glos fordert angesichts unerwartet guter Steuereinnahmen die Senkung der Einkommenssteuer. Die SPD sagt: Kommt nicht in Frage, wir hatten uns doch geeinigt, dass Schuldenabbau Priorität hat, der Steuersatz bleibt! Zack, Minuspunkt beim Wähler, obwohl sie in der Sache Recht hat. Ähnlich lief das mit der Erbschaftssteuer, deren Abschaffung Glos gefordert hatte.
Union als Ideendieb
Richtig ärgerlich wird die SPD-Führung auch beim Thema Krippenplätze. Ein Musterbeispiel dafür, wie sie vom Koalitionspartner nach allen Regeln der Kunst abgezockt worden ist. Das ging folgendermaßen: Familienministerin von der Leyen, eine CDU-Politikerin, der man so ziemlich alles glaubt, wildert mit ihrem Plan, Hunderttausende neue Krippenplätze zu schaffen, tief im SPD-Revier, klaut deren Idee. Sagt dann aber nicht konkret, woher das Geld dafür kommen soll. Die SPD protestiert, fordert Koalitionsdisziplin, der populäre Krippenplan ist in Frage gestellt. Zack, noch ein Minuspunkt beim Wähler.
Union als Tabellenführer
Sechs Punkte trennen die SPD jetzt schon von der Union, Tendenz steigend, oder treffender wäre fallend. Und niemand in der Partei hat einen Plan, wie der Sturzflug in der Wählergunst aufzuhalten ist. In der Krise schaut man zur Führung, womit wir wieder bei Kurt Beck wären. Der wirkt ideenlos, frustriert, nervös. Im Grunde müsste er, den das Satiremagazin ‚Titanic‘ schon vor Monaten „Problembär“ nannte, ersetzt werden. Und zwar durch einen populäreren, jüngeren, kuscheligen Bären. Aber da drängt sich bei der SPD momentan keiner auf. Hat eigentlich schon jemand geklärt, welches Parteibuch Eisbär Knut hat?