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Spare in der Zeit ...

Rolf Wenkel / (hg)22. November 2002

Sparen bis auf’s Blut oder Konjunkturbelebung durch Verschuldung? An dieser Frage scheiden sich die Geister von Staatsoberhäuptern und Ökonomen. Die endgültige Antwort wird wohl nie gefunden.

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Sparen oder prassen - vom Umgang mit staatlichen ReservenBild: AP

Die Wirtschaftswissenschaften bieten zum Thema Staatsschulden drei Thesen an. Wirtschaftsprofessor Richard Sturn von der Universität Graz urteilt jedoch: "Diese Dreifaltigkeit scheint nicht gerade ein Erfolgsausweis zu sein." Nach den Theorien des englischen Nationalökonomen David Ricardo hat die Finanzierung von Staatsausgaben, egal ob Steuern oder Schulden, überhaupt keine wirtschaftlichen Effekte. Allerdings ist diese Theorie nicht mehr die neueste; Ricardo starb bereits 1823.

Seit 1945 dominierten die Anhänger des britischen Nationalökonomen John Maynard Keynes die haushaltspolitische Debatte. Er hatte gesagt, kurzfristige Schulden könnten ökonomisch sinnvoll sein, wenn der Staat als Investor auftritt und durch so genanntes "deficit spending" der Wirtschaft auf die Beine hilft. Nach der liberalen Wirtschaftsschule hingegen sind Staatsschulden grundsätzlich schlecht. Wenn der Staat in der Gegenwart mehr konsumiere, als er sich leisten könne, müssten das nachfolgende Generationen durch Konsumverzicht ausbaden.

Alte Weisheiten

Früher hieß es: "Spare in der Zeit, dann hast du in der Not." Ein Ratschlag, der in der deutschen Geschichte gelegentlich befolgt wurde: In der früheren Zitadelle in Spandau gab es einen Turm, in dem bis 1914 Goldsäcke lagerten, die aus der französischen Kriegsentschädigung von 1870/71 stammten. Dieser sogenannte "Juliusturm" wurde in der Zeit zwischen 1952 und 1956 geradezu sprichwörtlich. Damals gelang es dem Finanzminister Fritz Schäffer, eine Rücklage von bis zu sieben Milliarden Mark zu bilden.

Heute neigen Politiker eher dazu, Geschenke zu verteilen. Das wäre nicht schlimm, wenn es einmalige Geschenke wären. Fatal ist es aber, wenn aus diesen Rechtsansprüche werden. Dann bleiben sie auch in schlechten Zeiten bestehen. Die Väter der deutschen Verfassung hatten dem Schuldenmachen enge Grenzen gesetzt. Der Staat darf nicht mehr Schulden machen, als er investiert. Allerdings haben sie nichts über die Abschreibung von Investitionen gesagt. Und das rächt sich jetzt.

Investition und Rendite

Wenn sich ein privater Häuslebauer verschuldet, muss er Konsumverzicht leisten. Er zweigt einen großen Teil seiner laufenden Einnahmen für Zinsen und Tilgung ab. Der Staat hat dergleichen nicht nötig. Wenn er Straßen und Krankenhäuser baut, bringt seine Investition zwar einen Gewinn für das Gemeinwesen, aber der ist nicht messbar.

Der Staat dürfte eigentlich erst wieder investieren, wenn die vorangegangene Investition durch laufende Einnahmen getilgt ist. Dieses Prinzip wurde jedoch Ende der 50er Jahre aufgehoben. Seitdem wird die Neuverschuldung nur noch dem gegenüber gestellt, was der Staat unter "Investitionen" versteht. Doch dieser Begriff ist dehnbar. Addiert man die deutschen Staatsschulden von 1965 bis 2001, kommt man auf rund 930 Milliarden Euro. In der gleichen Zeit hat der Staat rund 1.000 Milliarden Euro für Zinsen ausgegeben. Die Kredite sind also in erster Linie zum Selbstzweck geworden.