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Spannungen zwischen Kurden und Türken in Deutschland

Mathias Bölinger12. Oktober 2015

Nach dem Anschlag von Ankara warnen türkische Organisationen vor einer Eskalation der Gewalt zwischen Türken und Kurden in Deutschland. Auch das deutsche Innenministerium sieht "Anlass zur Sorge".

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Kurdische Proteste in Mannheim (Bild:dpa)
Nach dem Anschlag von Ankara: Proteste gegen Erdogan in MannheimBild: picture-alliance/dpa/R. Priebe

Bisher sind es Einzelfälle - doch die Befürchtungen wachsen, dass der Konflikt in der Türkei stärker auf die Exilgemeinden in Deutschland übergreifen könnte. In Berlin wurde in der vergangenen Woche ein Anschlag auf ein Büro der pro-kurdischen Partei HDP verübt. Unbekannte hatten einen Molotow-Cocktail in ein Büro der Partei im Stadtteil Kreuzberg geworfen. Das Büro war gerade neu eröffnet worden, um von dort aus den Wahlkampf in Berlin zu organisieren. Anwohner bemerkten das Feuer und löschten den Brand. Zwei Wochen zuvor hatte es einen Anschlag auf ein Büro der Union Europäisch-türkischer Demokraten (UETD) in Hamm gegeben. Die Union steht der AKP des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan nahe.

Nach dem Anschlag in Ankara vom Wochenende mit rund 100 Toten warnte der Vorsitzende der Türkischen Gemeinde Deutschland, Gökay Sofuoglu, am Montag in einem Zeitungsinterview vor einer weiteren Eskalation auch in Deutschland. "Ich beobachte, dass in den sozialen Medien sehr schnell von allen Seiten zu Demonstrationen aufgerufen wird, die gar nicht genehmigt sind", sagte Sofuoglu. "Sowohl auf türkischer als auch auf kurdischer Seite entwickeln sich verschiedene Gruppierungen."

Provokationen nehmen zu

Die Befürchtungen Sofuoglus werden von Politikern der verschiedenen Lager geteilt. Sowohl Anhänger des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan als auch Vertreter der Demokratischen Partei der Völker (HDP), die die Interessen der Kurden und anderer Minderheiten vertritt, beobachten eine Zuspitzung der Lage in Deutschland.

Fatih Zingal, stellvertretender Vorsitzender der UETD in Köln spricht von einer "explosiven Stimmung". Es gebe "Menschen, die bewusst provozieren wollen". Zingal fürchtet unter anderem, dass es Auseinandersetzungen in den Wahllokalen geben könnte, die in den türkischen Konsulaten bereits geöffnet haben. "Wir rufen dazu auf, Provokateure nicht zu beachten."

Auch Erkin Erdogan, Sprecher der HDP in Berlin, berichtet von zunehmenden Provokationen. Neben dem Kreuzberger Brandanschlag habe es in den letzten Wochen auch mehrere Angriffe auf Infostände der Partei gegeben, sagt Erdogan. "Wir wissen nicht, was noch passieren wird." Trotzdem kündigte er an, die Partei werde ihre Wahlkampagne in Deutschland fortsetzen. "Ein Erfolg an den Wahlurnen ist die beste Antwort auf diese Bedrohung".

Polizei will "mit Entschiedenheit" gegen Gewalt vorgehen

Das deutsche Innenministerium sieht ebenfalls "Anlass zur Sorge". Man beobachte "angesichts der aktuellen Lage eine hohe Emotionalisierung" in den verschiedenen Lagern, sagte eine Sprecherin. "Unsere Sicherheitsbehörden sind sensibilisiert." Der rheinland-pfälzische Innenminister Roger Lewentz (SPD), der derzeit die Innenministerkonferenz der Bundesländer leitet, kündigte an, die Polizei werde "mit aller Entschiedenheit gegen jegliche Art der Gewalt vorgehen."

Nicht alle Vertreter der türkeistämmigen Exilgemeinden wollen allerdings in diesen alarmierenden Tonfall einstimmen. Ayse Demir, Vorsitzende des liberalen Türkischen Bunds Berlin-Brandenburg, möchte sich den Warnungen ausdrücklich nicht anschließen. Am Wochenende hatte es als Reaktion auf die Anschläge von Ankara mehrere spontane Demonstrationen in Deutschland gegeben. In Stuttgart versammelten sich 5000 Demonstranten, in Berlin kamen 1000 zusammen. "Trotz dem schrecklichen Anschlag gab es keine Ausschreitungen", betont Demir. "Und wir hoffen, dass das auch so bleibt."