Spätes Ende einer Hängepartie
17. April 2004Spät hat Ernst Welteke eingesehen, dass es für ihn ein Zurück an die Spitze der Bundesbank nicht geben würde und mit seinem Amtsverzicht die Hängepartie beendet wird. Die Affäre um die Silvestersause 2001 ist damit allerdings nicht ausgestanden. Der Staatsanwalt wird seine Ermittlungen ebenso fortsetzen wie die CDU/CSU-Opposition im Bundestag versuchen wird, die Hintergründe der Indiskretion auszuleuchten, die Weltekes Fehlverhalten aufgedeckt hat.
Warnendes Beispiel für andere Raffkes
Doch klar ist: Die mit zwei Wochen Verspätung gezogene Konsequenz war unvermeidlich; es war nicht damit getan, das Amt bis zum Ende der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen ruhen zu lassen. Recht hatte Bundesfinanzminister Hans Eichel, der gleich einen schnellen Schnitt machen wollte. Denn zur Unabhängigkeit der Bundesbank gehört auch die innere Unabhängigkeit der handelnden Personen. Wer an der Bankenaufsicht mitwirkt, darf sich nicht von Banken beschenken lassen.
Das hätte Ernst Welteke klar sein müssen, als die Dresdner Bank für die Silversternacht 2001 nach Berlin zur Feier der Euro-Bargeld-Einführung vor dem Brandenburger Tor einlud. Selbstverständlich hätte die Bundesbank ihrem Präsidenten die Dienstreise bezahlt - aber nicht für die ganze Familie plus Freundin des Sohnes und das auch noch für vier Übernachtungen. Die Rechnung von 7600 Euro wurde von der Großbank beglichen. Als die Sache aufflog, machte Welteke mit seiner Dreistigkeit alles nur noch schlimmer. Genau das geht nicht, dass den kleinen Leuten in wirtschaftlich schwerer Zeit der Gürtel enger geschnallt wird und "die da oben" mitnehmen, was mitzunehmen ist - und das für ganz normal halten. Der Sturz vom hohen Podest des Bundesbankpräsidenten mag anderen Raffkes ein warnendes Beispiel sein.
Bedeutungsverlust der Bundesbank
Ernst Welteke hat nicht nur sich selbst in einem der höchsten Ämter, die in diesem Staat zu vergeben sind, unmöglicht gemacht, sondern auch der Institution Bundesbank schweren Schaden zugefügt. Allerdings liegt in jedem Scheitern auch eine Chance, in diesem Fall für den Nachfolger. Eichels Kandidat, Staatssekretär Caio Koch-Weser aus dem Bundesfinanzministerium, ist auf dem Parkett der nationalen und internationalen Währungspolitik bestens eingeführt, von untadeligem Ruf und als herausragender Experte auf dem Gebiet der Geldpolitik bekannt. Das gilt ebenso für Bundesbank-Vizepräsidenten Jürgen Stark.
Der nächste Präsident steht vor einer doppelten Aufgabe. Er wird nicht nur Deutschland im Rat der Europäischen Zentralbank und in den Gremien des Internationalen Währungsfonds vertreten, sondern er muss darüber hinaus den von Welteke eingeleiteten Umbau der Bundesbank fortsetzen. Denn die hat ja nicht nur auf spektakuläre Weise ihren bisherigen Präsidenten verloren, sondern sieht sich durch den Übergang der Kompetenz für die Geldpolitik auf die Europäische Zentralbank mit einem erheblichen Bedeutungsverlust konfrontiert, der immer noch mächtig am Selbstbewusstsein der Bundesbanker nagt.