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Soziales Engagement im Dienst der Gesellschaft

30. November 2011

Zwei Preise honorieren das ehrenamtliche Engagement in Deutschland: Der "Deutsche Bürgerpreis" und der "Deutsche Engagementpreis". Ausgezeichnet wird sozialer Einsatz, der die Lücken des Sozialstaats schließt.

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Die 87-jährige Ursula Nölle beim Nähkurs (Foto: Privat)
Bild: Ursula Nölle

100 Milliarden Stunden leisten ehrenamtlich tätige Menschen in Deutschland pro Jahr. Etwas mehr als 60 Milliarden Stunden werden in der Erwerbsarbeit geleistet, sagt Herrmann Bingert vom "Institut für neue soziale Antworten" (INSA). Je mehr sich der Sozialstaat zurückzieht, desto größer wird die Bedeutung dieser freiwilligen Arbeiten. Eine Untersuchung der schweizerischen Unternehmensberatung Prognos AG kommt Ende 2008 zu dem Ergebnis, dass eine "Renaissance" der gemeinnützigen Arbeit und des Engagements in Vereinen festzustellen ist.

Stadt-Land-Unterschiede

Karin Odening (Foto: DW)
Lesen bildet: Die ehrenamtliche Mitarbeiterin Karin Odening arbeitet in der "minibib", in der man Bücher kostenlos ausleihen kannBild: DW

Je kleiner die sozialen Einheiten sind, desto stärker das bürgerschaftliche Engagement ihrer Mitglieder: Zu diesem Ergebnis kommt die Prognos-Studie ebenso wie eine Untersuchung des INSA. Beide stellen fest, dass viele Single-Haushalte oder eine geringere Bindung an traditionelle Strukturen wie Kirchen, Parteien und Vereine das soziale Engagement in großen Städten sinken lassen. Für Herrmann Bingert, dem Leiter des INSA, ist damit klar, dass kleine soziale Einheiten billiger sind als große: "Denn in Städten erwarten die Menschen mehr Leistungen der Kommunalverwaltungen als in dörflichen Gemeinschaften, in denen die Menschen sagen, "wenn wir es nicht machen, wer dann?"

Die dauerhafte Abkehr von Großorganisationen wie Gewerkschaften, Parteien oder Kirchen erkennt man auch an vielen Betätigungsfeldern der Ehrenamtler. Denn die Arbeit in den Bereichen Politik oder Sozialarbeit macht nur fünf Prozent aus. Der überwiegende Teil der ehrenamtlichen Stunden wird in Sportvereinen, bei der Feuerwehr oder in Jugendeinrichtungen geleistet. Einzig die Altenarbeit der Kirchen erfreut sich bei den ehrenamtlich Tätigen großer Beliebtheit.

Je älter, desto ehrenamtlicher

Die Studie des INSA hat zudem herausgefunden, dass ehrenamtliche Tätigkeit im Alter zwischen 30 und 50 zurückgeht, während sie davor und danach auf über 30 Prozent ansteigt. Herrmann Bingert erklärt das mit "Belastungen in Beruf und Familie, die zwischen 30 und 50 am größten sind." Würde man allerdings die "ehrenamtlichen Stunden in der Familienarbeit" hinzurechnen, sähe die Rechnung umgekehrt aus.

Das überdurchschnittliche Engagement der über 60-Jährigen liegt aber nicht nur daran, dass sie am Ende ihres Berufslebens oder danach mehr Zeit haben. Für Herrmann Bingert vom INSA ist das auch eine Frage der Einstellung: "Sie wollen etwas von dem zurückgeben, das sie selbst erfahren haben." Dabei engagieren sich Männer eher in Sport und Politik, während Frauen mehrheitlich im sozialen Bereich tätig sind. Geschlechtsunabhängig ist das steigende Interesse an Politik und Gemeinwohl, das die über 60-Jährigen von den Jüngeren abhebt. Auch das könnte ein Grund für ihr prozentual höheres Engagement bei der ehrenamtlichen Tätigkeit sein.

Deutscher Engagementpreis

Da sich der Staat aus vielen sozialen Bereichen zurückgezogen hat, wird das Bürgerengagement immer wichtiger. Deshalb werden herausragende Leistungen im Ehrenamt mit zwei Preisen ausgezeichnet. Den "Deutschen Engagementpreis" trägt ein "Bündnis für Gemeinnützigkeit", dem u.a. der "Deutsche Kulturrat", das "Deutsche Institut für soziale Fragen", der "Deutsche Olympische Sportbund" und der "Deutsche Bundesjugendring" angehören. Gefördert wird der Preis außerdem vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend.

Dem Gewinner winken 10.000 Euro. Aber er muss ein intensives Auswahlverfahren durchlaufen: Aus mehr als tausend Vorschlägen hat eine Jury 20 Kandidaten ausgewählt. Neben dem Urteil der Jury zählt ein Online-Voting. Das Ergebnis wird bei einer feierlichen Preisverleihung am Freitag (02.12.2011) bekannt gegeben.

Deutscher Bürgerpreis

Bundesbildungsministerin Annette Schavan (Foto:DW-TV)
Überreichte den "Deutschen Bürgerpreis": Bundesbildungsministerin Annette Schavan (CDU)Bild: DW-TV

"Für mich. Für uns. Für alle" lautet das Motto dieses Preises, der auf eine Initiative von Bundestagsabgeordneten, einigen Städten, Landkreisen und Kommunen und dem Sparkassenverband entstanden ist. 26 Juroren wählen aus drei Projekten in den Kategorien "U21", "Alltagshelden" und "engagierte Unternehmer" jeweils einen Preisträger aus. Ziel des "Deutschen Bürgerpreises" ist es, die Rahmenbedingungen für ehrenamtliche Tätigkeiten in Deutschland zu verbessern. Die Preisträger des Jahres 2011 wurden am 29. November 2011 in Berlin gekürt.

Die Initiative des "Deutschen Bürgerpreises" hat 2004 den Bericht "Deutschland aktiv" veröffentlicht. Darin zeigen Experten Probleme beim Bürgerengagement ebenso auf wie Handlungs- und Lösungsmöglichkeiten. Etwa 23 Millionen Menschen sind derzeit in Deutschland ehrenamtlich beschäftigt. Angesichts einer alternden Gesellschaft, zunehmender sozialer Schwierigkeiten und weiteren Kürzungen in den Sozialetats von Bund und Ländern wird die Bedeutung der ehrenamtlichen Tätigkeit in Deutschland weiter zunehmen.

Autor: Matthias von Hellfeld
Redaktion: Manfred Böhm