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Sozialdemokrat wird Staatsoberhaupt

25. April 2004

Erstmals seit 18 Jahren steht wieder ein Sozialdemokrat an der Spitze Österreichs: Bei der Direktwahl des Bundespräsidenten setzte sich Heinz Fischer knapp gegen Außenministerin Benita Ferrero-Waldner durch.

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Heinz Fischer erhielt mehr als 52 Prozent der StimmenBild: AP


Heinz Fischer hat bei den heute oppositionellen Sozialdemokraten (SPÖ) Karriere gemacht. Der auf Verfassungsrecht spezialisierte, 65 Jahre alte Jurist arbeitete sich in der SPÖ-Parlamentsfraktion Zug um Zug nach oben und wurde nach einem Zwischenspiel als Forschungsminister Fraktionschef. Von 1990 bis zum Verlust der SPÖ-Mehrheit 2002 war er Parlamentspräsident. In dieser Zeit erwarb sich den Ruf, ausgleichend und - wenn es das Amt erforderte - auch überparteilich zu agieren.

Niederlage für Kanzler Schüssel

Die Wahl des Sozialdemokraten bedeutet vor allem eine Niederlage für Bundeskanzler Wolfgang Schüssel. Der Vorsitzende der konservativen Volkspartei (ÖVP) hatte Außenministerin Benita Ferrero-Waldner gegen starken parteiinternen Widerstand als Kandidatin für die Präsidentschaftswahl am Sonntag (25.4.2004) durchgebracht. Nun ist er in Erklärungsnotstand, warum er ausgerechnet die als politisch unerfahren geltende Ministerin für das höchste Staatsamt vorschlug.

Für Schüssel ist es der dritte Tiefschlag bei der dritten Wahl in diesem Jahr. Schon im März war die ÖVP im Bundesland Salzburg erstmals als stärkste Kraft abgelöst worden, in Kärnten war die Hälfte ihrer Wähler weggebrochen. Kein Wunder, dass die Partei am Wahlabend bemüht war, die Niederlage diesmal klein zu reden. Ferrero-Waldner sei als überparteiliche Kandidatin ins Rennen gegangen und es habe sich um eine reine Persönlichkeitswahl gehandelt. Freilich waren im Wahlkampf sehr wohl bundespolitische Themen wie die Sozialreformen der Regierung, die von Vielen im Land als ungerecht empfunden werden, ins Spiel gebracht worden - auch von der Außenministerin.

Ablöse für Klestil

Genau mit dem Thema "Soziale Gerechtigkeit", so die ersten Analysen der Meinungsforscher, punktete Fischer beim Wahlvolk. Dazu kam sein Eintreten für die Beibehaltung der österreichischen Neutralität. Die von Ferrero-Waldner und ihrem Team immer wieder ins Feld geführte außenpolitische Kompetenz zählte bei den Wählern weniger. Weit weniger als erhofft, half der 55-Jährigen offenbar auch ihr "Frauen-Bonus". Sie wäre die erste Frau im höchsten Amt der Bundesrepublik gewesen. Stattdessen löst jetzt doch wieder ein Mann Thomas Klestil an der österreichischen Staatsspitze ab. Laut dem vorläufigen Endergebnis erhielt Heinz Fischer 52,41 Prozent der Stimmen. Seine Gegenkandidatin kam auf 47,59 Prozent, meldete die Nachrichtenagentur APA. Thomas Klestil tritt gemäß der Verfassung nach zwei sechsjährigen Amtsperioden ab. Der neue Bundespräsident wird am 8. Juli vereidigt.

Vertrauensverlust bei den Regierenden

Noch nicht einmal zwei Jahre ist es her, als Kanzler Schüssel im Herbst 2002 die ÖVP erstmals seit 1966 wieder zur stärksten politischen Kraft Österreichs machte. Damals hatte er in seiner Partei unumschränkten Rückhalt. Seither hat die ÖVP viel an Vertrauen verloren. Vor allem die Rentenreform des Vorjahres, die Schüssel gegen dem Widerstand der Sozialpartner durchboxte, hat die Umfragewerte stark fallen lassen. Schon die Verluste im März ließen einige Länderchefs laut nachdenken, ob Schüssel nicht sozial ausgewogener agieren sollte. Nach der Niederlage der Außenministerin im Rennen um die Staatsspitze wird diese Kritik kaum leiser werden. (arn)