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EU: "Beobachten, was weiter geschieht"

5. März 2016

Die Entscheidung der türkischen Regierung, die regierungskritische Zeitung "Zaman" unter staatliche Kontrolle zu stellen, sorgt für heftige Kritik. Die EU und die USA fordern Respekt vor der Pressefreiheit.

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Türkei Zeitung Zaman - unter staatliche Aufsicht gestellt Foto: picture-alliance/dpa/S. Suna
Bild: picture-alliance/dpa/S. Suna

Als EU-Beitrittskandidat müsse die Türkei auch die Pressefreiheit respektieren, erklärte EU-Erweiterungskommissar Johannes Hahn vor dem EU-Türkei-Gipfeltreffen zur Flüchtlingskrise in der kommenden Woche. "Wir werden genau beobachten, was weiter geschehen wird. Grundrechte seien nicht verhandelbar", warnte Hahn.

Auch der Vizepräsident des Europäischen Parlaments, Alexander Graf Lambsdorff (FDP), kritisierte das Vorgehen der türkischen Behörden scharf. "Was die Regierung da tut, ist nichts anderes, als die Gleichschaltung der Presse weiterzutreiben", sagte er im RBB-Inforadio. Er warf der Türkei vor, "immer autokratischer" zu werden. Das Mitglied des Auswärtigen Ausschusses und Vizefraktionschef der Sozialdemokraten im Europaparlament, Knut Fleckenstein, erklärte, "eine Türkei ohne Medienfreiheit ist in der Europäischen Union undenkbar".

Pressefreiheit ist in der Verfassung festgeschrieben

Die Fraktionsvorsitzende der Grünen im Europaparlament, Rebecca Harms, kritisierte, in der Türkei würden Journalisten "willkürlich und mit allen Mitteln unter Druck gesetzt". Zuvor hatten die USA bereits von einer "beunruhigenden Serie" des Vorgehens gegen Medien und Regierungskritiker in der Türkei gesprochen. Der Sprecher des US-Außenministeriums, John Kirby, erinnerte daran, dass Meinungs- und Pressefreiheit in der Verfassung des Landes festgeschrieben seien.

Türkei Protest & Ausschreitungen Zeitung Zaman - unter staatliche Aufsicht gestellt Foto: Getty Images/AFP/O. Kose
Erst wurde "Zaman" unter staatliche Kontrolle gestellt, dann eskalierte die SituationBild: Getty Images/AFP/O. Kose

Die internationale Journalisten-Organisation "Reporter ohne Grenzen" fordert von Deutschland den Einsatz für die Pressefreiheit in der Türkei. "Das dröhnende Schweigen der Bundesregierung zum Vorgehen der Türkei gegen kritische Medien ist unerträglich", sagte Geschäftsführer Christian Mihr. Er fordert klare Worte vom Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) beim EU-Türkei-Gipfel in zwei Tagen.

Gewalt gegen Journalisten - Kein Einzelfall

Das Vorgehen gegen die regierungskritische Zeitung "Zaman" sei kein Einzelfall, kritisiert die Organisation. Schon im Oktober habe die Staatsanwaltschaft den Medienkonzern Koza Ipek unter staatliche Aufsicht gestellt, der nun den Betrieb eingestellt habe. Zudem habe sich Präsident Recep Tayyip Erdogan vor einer Woche offen gegen die Entscheidung des Verfassungsgerichts gestellt, den Chefredakteur der Zeitung "Cumhuriyet" und deren Hauptstadt-Büroleiter aus der Untersuchungshaft zu entlassen. Den Journalisten sei Spionage und Terrorismus vorgeworfen worden, weil sie über die Beteiligung des türkischen Geheimdienstes an Waffenlieferungen an Islamisten in Syrien berichtet hatten.

Erdogan kenne keine Schamgrenze mehr bei der Unterdrückung jeder Kritik an seiner Regierung, so Mihr. Vom EU-Gipfel dürfe nicht das Signal ausgehen, dass die EU über jede Menschenrechtsverletzung hinwegsehe, wenn es um Zugeständnisse in der Flüchtlingspolitik gehe. Die Türkei liege auf der Rangliste der Pressefreiheit auf Platz 149 von 180 Staaten.

Einsatz von Tränengas und Wasserwerfern

Die türkische Polizei hatte am Freitag den Sitz der Zeitung gewaltsam gestürmt. Kurz vor Mitternacht vertrieb sie mit Tränengas und Wasserwerfern hunderte Demonstranten, die sich vor dem "Zaman"-Sitz in Istanbul versammelt hatten, und drang dann in das Gebäude ein. Zuvor war der Zutritt zum Gebäude mit Sicherheitsbarrieren versperrt worden. Das Blatt steht der oppositionellen "Hizmet"-Bewegung des Predigers Fethulla Gülen nah, die von der türkischen Regierung zur Terrororganisation erklärt worden ist. Die türkische Regierung wirft Gülen, der in den USA lebt, Putschpläne vor. Die Zeitung wurde per Gerichtsbeschluss unter die Kontrolle eines Regierungstreuhänders gestellt. "Zaman" ist mit mindestens 650.000 Exemplaren die auflagenstärkste Zeitung der Türkei.

cgn/haz (afp, epd, rtr)