Sorge um Chen und Mitstreiter
30. April 2012Der Appell ist diplomatisch formuliert, lässt aber an Deutlichkeit nichts vermissen: Die Europäische Union hat China aufgefordert, im Fall des blinden Dissidenten Chen Guangcheng nicht überzureagieren und "mit größter Zurückhaltung" vorzugehen. Chen ist aus seinem Hausarrest entkommen und soll nach einer spektakulären Flucht über Hunderte von Kilometern Schutz in der US-Botschaft gefunden haben. Weder aus Washington noch aus Peking gibt es dazu eine offizielle Stellungnahme. Zwischen den Großmächten wird aber offenbar in diesem Konflikt bereits verhandelt.
Die EU verlangte von der chinesischen Regierung, auf jegliche Drangsalierung der Familie Chens sowie seiner Unterstützer zu verzichten. "Menschenrechtler sollten in voller Übereinstimmung mit den chinesischen Gesetzen und der Verfassung behandelt werden", heißt es in einer Erklärung der EU-Vertretung in China.
Repressionen gegen Unterstützer und Familie
Die Polizei hatte nach Bekanntwerden der Flucht mehrere mutmaßliche Helfer Chens festgesetzt. So wurden auch der ältere Bruder und Neffe des Bürgerrechtlers zum Verhör abgeführt, wie der Chef der in Texas ansässigen Organisation ChinaAid, Bob Fu, mitteilte. Frau, Mutter und Tochter Chens befinden sich nach seinen Angaben weiterhin unter strengem Hausarrest.
Nach Verhören durch die chinesische Staatssicherheit berichtete jetzt ein Vertrauter Chens, der Menschenrechtsaktivist Hu Jia, der Nachrichtenagentur AFP, er sei auch zum Zeitpunkt des Treffens mit dem US-Botschafter Gary Locke befragt worden. Es sei "sehr sicher", dass sich der blinde Dissident tatsächlich in der amerikanischen Vertretung in Peking befinde. Hu erklärte zudem, Chen wolle sich trotz allem weiter in der Volksrepublik gegen das Unrecht wehren und kein politisches Asyl in den Vereinigten Staaten beantragen.
Ungeachtet dessen könnte der Fall die Beziehungen zwischen den USA und China belasten. US-Außenministerin Hillary Clinton und Finanzminister Timothy Geithner werden am Donnerstag und Freitag in Peking zu den jährlichen Wirtschafts- und Sicherheitsberatungen der beiden Regierungen erwartet. ChinaAid berichtete, ranghohe Vertreter Chinas und der USA hätten bereits Gespräche im Konflikt um Chen aufgenommen. Bereits am Sonntag sei dazu ein hochrangiger US-Diplomat in Peking eingetroffen, meldete die "New York Times".
Präsident Barack Obama jedenfalls zeigte sich bei dem Thema auffallend schmallippig und wollte die Berichte, wonach sich Chen in der Pekinger US-Botschaft aufhält, weder bestätigen noch bestreiten. Auf eine entsprechende Frage während einer Pressekonferenz antwortete Obama lediglich, dass er die Presseberichte zu dem Fall kenne, dazu aber keine Erklärung abgeben werde.
sti/SC/rb (dapd, dpa rtr,afp)