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Sondersitzung zur Flüchtlingssituation

2. September 2015

Der Innenausschuss des Bundestages berät heute in einer Sondersitzung über den Umgang mit den vielen Flüchtlingen in Deutschland. Am Münchener Bahnhof erwartet man unterdessen neue Züge aus Ungarn.

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Flüchtlinge am Münchener Hauptbahnhof (Foto: afp, getty)
Geflüchtete Kinder, die gerade mit einem Zug aus Ungarn am Münchener Hauptbahnhof angekommen sindBild: Getty Images/AFP/C. Stache

Am Münchner Hauptbahnhof sind in der Nacht keine weiteren Flüchtlinge angekommen. Der letzte Zug sei gegen 1 Uhr eingetroffen, sagte ein Sprecher der Bundespolizei. Unter den Passagieren seien keine Flüchtlinge gewesen. Ab dem frühen Morgen sollten allerdings wieder Züge aus Ungarn anrollen. Ob Flüchtlinge an Bord sein werden, ist aber noch unklar.

In München waren bis zum frühen Dienstagabend mehr als 2100 Flüchtlinge angekommen. Sie wurden registriert und mit Bussen in Erstaufnahmeeinrichtungen gebracht. Seit Wochenbeginn waren es fast 4300 Menschen. Die Züge aus Ungarn lösten in der bayerischen Landeshauptstadt eine Welle der Hilfsbereitschaft aus. Hunderte Spender brachten Lebensmittel, Kleidung, Zahnbürsten, Windeln und andere Geschenke für die Asylbewerber zum Hauptbahnhof.

Freiwillige helfen den ankommenden Flüchtlingen (Foto: dpa)
Freiwillige helfen den ankommenden FlüchtlingenBild: picture-alliance/dpa/N. Armer

In Ungarn haben tausende Flüchtlinge die Nacht über am Budapester Bahnhof kampiert. Polizisten hatten den Bahnhof am Vormittag für Flüchtlinge abgesperrt. Damit sollte verhindert werden, dass sie wie am Vortag Züge Richtung Westeuropa besteigen. Hunderte protestierten lautstark dagegen. Am Vortag hatten Ungarns Behörden die Flüchtlinge ungehindert per Bahn nach Deutschland reisen lassen.

Nahles: Drei Milliarden zusätzlich

Der Innenausschuss des Bundestages berät heute in einer Sondersitzung über den Umgang mit der rasant wachsenden Zahl an Flüchtlingen in Deutschland. Erwartet wird dazu auch Innenminister Thomas de Maizière. Die Bundesländern fordern, dass sich der Bund stärker an den Kosten des Flüchtlingsansturms beteiligt.

Für Lebensunterhalt, Spracherwerb und Qualifizierung von Flüchtlingen hält Bundessozialministerin Andrea Nahles im kommenden Jahr 1,8 bis 3,3 Milliarden Euro zusätzlich für nötig, so die SPD-Politikerin in Berlin. Nahles will dafür allerdings ein Mandat des Bundestages beantragen. Deutschland rechnet in diesem Jahr mit insgesamt 800.000 Zuwanderern, das sind vier Mal mehr als 2014.

Im ZDF-Morgenmagazin plädierte Nahles nachdrücklich für ein dauerhaftes Bleiberecht für Flüchtlinge aus dem Ausland, die in Deutschland eine Ausbildung absolviert haben. "Wer hier wirklich eine erfolgreiche Ausbildung durchlaufen hat, der ist perfekt integriert, spricht die deutsche Sprache, hat hier eine Perspektive und sollte dann auch auf Dauer bleiben können", sagte die Ministerin. Allerdings gebe es dagegen noch Widerstände, insbesondere aus den Ländern. Nahles nannte als Ziel, Zuwanderer möglichst schnell aus der Grundsicherung heraus und in Arbeit zu bringen.

Gabriel appelliert an Osteuropa

SPD-Chef Sigmar Gabriel kritisierte die Zurückhaltung vieler EU-Länder bei der Aufnahme von Flüchtlingen. "Es kann nicht sein, dass Deutschland, Österreich und Schweden einen Großteil dieser Menschen aufnehmen", sagte der Bundeswirtschaftsminister der "Westdeutschen Allgemeinen Zeitung".

Gerade die Osteuropäer profitierten besonders von offenen Grenzen. Die Gefahr für die EU sei größer als die während der Griechenland-Krise. "Die Aufgabe offener Grenzen wäre ein gigantischer Rückschritt in der europäischen Geschichte." Bei Griechenland bestehe die Gefahr, Geld zu verlieren. "Europa ist aber nun in der Gefahr, seinen Anstand zu verlieren", sagte Gabriel.

Menschen behindern Eurostar-Verkehr

Auch an anderen europäischen Brennpunkten sorgte die Flüchtlingskrise erneut für Schlagzeilen. Im französischen Calais behinderten zeitweise Menschen auf den Gleisen den Verkehr durch den Eisenbahntunnel unter dem Ärmelkanal. Sechs Eurostar-Züge seien davon betroffen gewesen, meldete die französische Nachrichtenagentur AFP. Bei den Personen handele es sich wahrscheinlich um Flüchtlinge.

In Calais sammeln sich viele Migranten, die in der Hoffnung auf bessere Asyl- und Arbeitsbedingungen nach Großbritannien wollen. Dazu klettern sie auf Züge, die den Tunnel durchqueren. Nachdem die Sicherheitsvorkehrungen deutlich verstärkt wurden, ging der Andrang zuletzt zurück.

Österreich rüstet sich für Sonderzüge

In der österreichischen Hauptstadt Wien befreite die Polizei 24 junge Afghanen aus einem Klein-Lkw, dessen Fenster und Türen zugeschweißt oder versperrt waren. Die Nachrichtenagentur APA meldete unter die Berufung auf die Polizei, den Flüchtlingen gehe es gut. Das Fahrzeug kam demnach vermutlich ebenfalls aus Ungarn. Vor knapp einer Woche waren in einem Kühllastwagen in Österreich 71 erstickte Flüchtlinge entdeckt worden.

Die Österreichischen Bundesbahnen (ÖBB) erwarten zudem weitere Sonderzüge mit Flüchtlingen. "Wir stellen uns zumindest darauf ein", sagte ÖBB-Chef Christian Kern der "Wiener Zeitung". "Derzeit ist es wieder ruhiger, aber es kann sich jederzeit wieder ändern." Am Westbahnhof in Wien, wo die Züge Richtung Deutschland starten, habe das Unternehmen Betten bereitgestellt, denn die meisten Flüchtlinge wollten die Bahnhöfe in Österreich nicht verlassen und möglichst schnell weiterreisen. Auch in Salzburg liefen die Vorbereitungen für die Ankunft weiterer Menschen. "Denn die Deutsche Bahn setzt keine Sonderzüge ein, so dass auch in Salzburg viele Flüchtlinge auf die Weiterreise warten müssen", sagte Kern dem Blatt.

Die Zusammenarbeit mit Ungarn laufe gut. "Die Ungarn setzen auch Sonderzüge ein, wir stehen mit den Kollegen dort in gutem Kontakt", sagte Kern. Ein Großteil der Asyl-Suchenden in den Züge habe Fahrkarten. "Sie wollen nicht riskieren, den Zug verlassen zu müssen. Die Flüchtlinge versuchen im Zug nicht aufzufallen und verhalten sich sehr korrekt", sagte der Bahn-Chef.

chr/ stu (dpa, rtr)