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"Sonderrolle im Afghanistan-Krieg schadet Deutschland nicht“

Michael Knigge30. November 2001

Während Briten und Franzosen wenig Probleme mit einem Kriegseinsatz in Afghanistan haben, halten sich die Deutschen militärisch zurück. Und das ist nach Ansicht des Politikwissenschaftlers Ulrich Schneckener auch gut so.

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Bild: AP

Trotz der im Vergleich zu Großbritannien und Frankreich zurückhaltenden Beteiligung Deutschlands am Krieg in Afghanistan wird der größte EU-Staat auf internationaler Ebene nicht an Gewicht verlieren. "Ich glaube nicht, dass es große Auswirkungen hat auf die deutsche Außenpolitik, in dem Sinne, dass man sich jetzt in der zweiten oder dritten Reihe befindet, denn man darf ja nicht vergessen von welchem Ausgangspunkt Deutschland kommt", sagte Ulrich Schneckener, Politikwissenschaftler an der Universität Bremen, im Interview mit DW-World.

Während Kriegseinsätze britischer und französischer Soldaten, wie derzeit in Afghanistan, international seit langem akzeptiert seien, treffe dies für deutsche Truppen nicht zu. "Dass sich Deutschland an solchen Einsätzen beteiligt, ist nicht nur in Deutschland ungewöhnlich, sondern ist auch international ungewöhnlich", sagte Schneckener unter Verweis auf die unterschiedliche Geschichte und Verfassungslage der drei großen EU-Partnerstaaten. "Aus einer rein transatlantischen Sicht wird sicherlich die Teilnahme Deutschlands, so wie sie jetzt beschlossen wurde, als ein Fortschritt betrachtet", fügte der Experte für Außen- und Sicherheitspolitik hinzu.

Außenpolitik wird in Brüssel gemacht

An der Sonderrolle Deutschlands in Bezug auf Kriegseinsätze wird sich nach Ansicht von Schneckener kurzfristig nichts ändern. "Ich glaube, dass das noch eine ganze Weile so sein wird und das ist vielleicht auch ganz gut, wenn es auch einen großen europäischen Staat gibt, der in diesen Fragen etwas zurückhaltender ist und vielleicht andere - insbesondere politische Prioritäten – setzt und auf diese Weise auf die europäische Politik einwirkt." Ohnehin werde die Außen- und Sicherheitspolitik der einzelnen EU-Staaten zunehmend von Brüssel statt in Berlin, Paris oder London gemacht.

Zwar entstehe derzeit durch die starke Rolle einiger Länder im Kampf gegen Terrorismus der Eindruck, die europäischen Nationalstaaten würden zu Lasten der EU an Gewicht gewinnen. Langfristig wird nach Ansicht von Schneckener allerdings das Gegenteil eintreten. Dies verdeutliche auch die heftige Reaktion der kleineren EU-Staaten auf den von vor kurzem von Deutschland, Großbritannien und Frankreich initiierten "Sondergipfel der Großen". "Dass dieses Treffen so hart kritisiert worden ist von den anderen europäischen Staaten, zeigt, wie schwierig es geworden ist, Außenpolitik jenseits der EU machen zu wollen", betonte Schneckener.

Kissingers europäische Telefonnummer

Die Terroranschläge auf New York und Washington werden Schneckener zufolge den Bemühungen für eine einheitliche europäische Position auf der Weltbühne neuen Schub verleihen. Ein Kulminationspunkt für eine gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik der EU sei jedoch nicht der 11. September, sondern der Kosovo-Konflikt gewesen. Seitdem sei auch die berühmte Frage des ehemaligen US-Außenministers nach einer einzigen Krisen-Telefonnummer der Europäer beantwortet. "Wenn man sich ankuckt, was im Bereich der Außen- und Sicherheitspolitik seit September 1999 seit dem Ende des Kosovo-Konflikts passiert ist, dann kann man sagen, Henry Kissinger sollte bereits eine Telefonnummer haben und das wäre dann die von Herrn Solana, denn Javier Solana ist, wenn auch nicht nach dem Titel, so etwas wie ein europäischer Außenminister", sagte Schneckener.