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Sonder-Strafkammer für Kriegsverbrechen in Sarajewo

3. März 2005

Bosnien-Herzegowina ist nun in der Lage, Kriegsverbrecher-Prozesse vom Internationalen Strafgerichtshof zu übernehmen. Über den ersten Prozess wird nun in Den Haag entschieden. Doch auch Belgrad meldet Ansprüche an.

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Bald übernehmen Kollegen in Sarajevo den Job von ICTY-Chefanklägerin Carla del PonteBild: AP

Das UN-Kriegsverbrechertribunal ICTY wird am 4. März erörtern, ob der Fall des mutmaßlichen Kriegsverbrechers Zeljko Meakic und der übrigen Wärter des Lagers Keraterm und Omarska auf eine neue Strafkammer beim Gerichtshof von Bosnien-Herzegowina übertragen wird. Diese neue Kammer beschäftigt sich ausschließlich mit Kriegsverbrecher-Prozessen und der Fall Meakic soll der erste Prozess dieser Art sein, mit dem sich diese Kammer befasst. Die Gründung einer Sonderkammer für Kriegsverbrecher-Verfahren hat auch die internationale Gemeinschaft unterstützt, insbesondere die EU. Sie stellte 2,2 Millionen Euro für die Renovierung des Gebäudes zur Verfügung, in dem die Kammer und eine Gefängniszelle untergebracht sind.

Kriegsverbrecher-Prozesse nach internationalen Standards

Rafik Hodzic, Pressesprecher der Strafkammer für Kriegsverbrechen, zufolge ist diese Institution vollkommen darauf vorbereitet, Gerichtsverfahren im Einvernehmen mit den von der internationalen Gemeinschaft geforderten Standards durchzuführen. "Am 9. März werden wir auch offiziell die Arbeitsaufnahme der Kammer für Kriegsverbrechen begehen. Sie ist in dieser Region einzigartig, nicht nur wegen des hohen technischen Niveaus und der Organisationsstruktur, sondern auch wegen der Mitarbeit internationaler Richter und Ankläger. Dies ist auch einer der Gründe, warum wir behaupten, dass die Prozesse nach internationalen Standards verlaufen werden." Daher lehnt es Hodzic auch ab, den Fall Meakic an die serbische Justiz zu übergeben. "In den Verfahren, bei denen die Kriegsverbrechen in Bosnien-Herzegowina verübt wurden und sowohl die Opfer als auch die Täter aus diesem Land stammen, müssen die Prozesse in Bosnien-Herzegowina stattfinden." Eine Ausnahme bestehe, und zwar wenn beschlossen wird, ein Verfahren wegen der Position und des Rangs eines Angeklagten an das ICTY in Den Haag abzugeben. Einer der Gründe dafür, dass die Prozesse in Sarajewo stattfänden, sei, dass zahlreiche Opfer und Zeugen nicht dazu bereit seien, vor Gerichten in anderen Ländern auszusagen. Zudem bestehe ein besonderes Zeugenschutz-Programm, das in dieser Form nicht in den übrigen Länder der Region existiert. Laut Hodzic ist die Strafkammer des Gerichtshofes von Bosnien-Herzegowina in Kriegsverbrecher-Prozessen sowohl den Gerichten der Entitäten als auch der Kantone übergeordnet.

Skepsis gegenüber Prozessen in Belgrad

Branko Todorovic, Vorsitzender der Helsinki-Komitees der Republika Srpska, warnt davor, dass die Gerichte dieser Entität den ihnen gestellten Aufgabe nicht gewachsen seien. "Es ist bekannt, dass das Gericht in der Republika Srpska lediglich einen Kriegsverbrecher-Prozess geführt hat und zwar gegen eine Gruppe von Polizisten aus Prijedor wegen Mordes am katholischen Priester Matanovic. Der Prozess ist gescheitert, weil im Ermittlungsverfahren improvisiert wurde. Auf der anderen Seite haben Kantongerichte in der Föderation bislang über hundert Prozesse eröffnet und einige sind bereits abgeschlossen. Dies lässt darauf hoffen, dass nach gewissen Verbesserungen Prozesse vor Gerichten der Föderation verhandelt werden könnten."

Aufgrund der internationalen Unterstützung und aufgrund dessen, was bislang bei der Strafkammer für Kriegsverbrechen unternommen worden sei, bestehe Grund für gemäßigten Optimismus, dass diese Kammer erfolgreich arbeiten werde. Tododrovic äußerte sich dagegen sehr skeptisch zu dem Begehren der serbischen Justiz, die einige Kriegsverbrecher-Prozesse von Bosnien-Herzegowina übernehmen wolle. Dabei sei allseits bekannt, dass sich die serbische Justiz zuvor nicht besonders für Kriegsverbrechen interessiert habe, die auf eigenem Territorium verübt worden seien.

Kriegsverbrecher-Prozesse wichtig für Gegenwart und Zukunft

Natasa Kandic, Direktorin des Fonds für Menschenrechte Serbiens, meint, Serbien habe weder juristisch noch moralisch das Recht, den Fall Meakic zu übernehmen. "Dies demonstriert nur, dass in einer anderen Form das fortgesetzt wird, was während des Krieges geschehen ist. In Serbien werden noch immer die Fäden gezogen, wie auch die Entscheidungen während des Krieges dort gefällt wurden. Serbien nimmt sich nun das Recht heraus, die Verantwortung für Verbrechen zu übernehmen, die in Bosnien-Herzegowina geschehen sind." Nach Kandics Dafürhalten sei dies eine Einmischung in die inneren Angelegenheiten eines Nachbarlandes, weil so der bosnisch-herzegowinischen Justiz untersagt werde, Verbrechen zu verhandeln, die ausgenommen wichtig seien für die Gegenwart und die Zukunft von Bosnien-Herzegowina.

Azer Slanjankic
DW-RADIO/Bosnisch, 2.3.2005, Fokus Ost-Südost