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Sommer trifft Winter

20. August 2009

Die Luft steht, der Schweiß rinnt: Es war der bislang heißeste Tag des Jahres in Deutschland. Ja und? Wir bleiben cool. Ein Lob auf den Winter mitten im Sommer: Lieblingsgedichte der DW-Kulturredaktion.

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Gefrorene Zitrusernte in Kalifornien
Bild: AP

Winter

Die Kälte kann wahrlich brennen
Wie Feuer. Die Menschenkinder
Im Schneegestöber rennen
Und laufen immer geschwinder.

Oh, bittre Winterhärte!
Die Nasen sind erfroren,
Und die Klavierkonzerte
Zerreißen uns die Ohren.

Weit besser ist es im Summer,
Da kann ich im Walde spazieren,
Allein mit meinem Kummer,
Und Liebeslieder skandieren.

Heinrich Heine (1797-1856)

Mit Eisblumen bedeckte Fensterscheibe (dpa)
"Die Kälte kann wahrlich brennen..."Bild: picture-alliance/ dpa

Im Schnee

Wie naht das finster türmende
Gewölk so schwarz und schwer!
Wie jagt der Wind, der stürmende,
Das Schneegestöber her!

Verschwunden ist die blühende
Und grüne Weltgestalt;
Es eilt der Fuß, der fliehende,
Im Schneefeld nass und kalt.

Wohl dem, der nun zufrieden ist
Und innerlich sich kennt!
Dem warm ein Herz beschieden ist,
Das heimlich loht und brennt!

Wo, traulich sich dran schmiegend, es
Die wache Seele schürt,
Ein perlend, nie versiegendes
Gedankenbrauwerk rührt!

Gottfried Keller (1819-1890)

Schnee in Florida
Ach! Der Winter!Bild: Claude G. Matasa

Wenn es Winter wird

Der See hat eine Haut bekommen,
so dass man fast drauf gehen kann,
und kommt ein grosser Fisch geschwommen,
so stösst er mit der Nase an.

Und nimmst du einen Kieselstein
und wirfst ihn drauf, so macht es klirr
und titscher - titscher - titscher - dirr...
Heißa, du lustiger Kieselstein!

Er zwitschert wie ein Vögelein
und tut als wie ein Schwälblein fliegen -
doch endlich bleibt mein Kieselstein
ganz weit, ganz weit auf dem See draußen liegen.

Da kommen die Fische haufenweis
und schaun durch das klare Fenster von Eis
und denken, der Stein wär etwas zum Essen;
doch sosehr sie die Nase ans Eis auch pressen,
das Eis ist zu dick, das Eis ist zu alt,
sie machen sich nur die Nasen kalt.

Aber bald, aber bald
werden wir selbst auf eignen Sohlen
hinausgehn können und den Stein wiederholen.


Christian Morgenstern (1871-1914)