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Soldaten gedenken getöteter Kameraden

4. April 2010

Zwei Tage nach den blutigen Gefechten von Kundus haben die Bundeswehrsoldaten in Afghanistan Abschied von ihren drei getöteten Kameraden genommen. Bei Ostermärschen wurde Kritik am deutschen Afghanistan-Einsatz laut.

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Bundeswehrsoldaten verladen die Särge von drei gefallenen Kameraden in einen Helikopter (Foto: dpa)
Bundeswehrsoldaten verladen die Särge von drei gefallenen Kameraden in einen HelikopterBild: dpa

Bei einer Trauerfeier im Feldlager in der nordafghanischen Provinz Kundus gaben die dort stationierten Bundeswehr-Soldaten am Sonntag (04.04.2010) ihren gefallenen Kameraden die letzte Ehre. Die drei getöteten Fallschirmjäger aus Niedersachsen waren zwischen 25 und 35 Jahre alt.

"Wir haben alle gehofft, dass wir diesen Tag niemals erleben müssen", sagte der deutsche ISAF- Kommandeur für Nordafghanistan, Brigadegeneral Frank Leidenberger. "Die Hoffnung wurde am 2. April jäh zerstört."

Bundeswehrsoldaten salutieren im Feldlager des Wiederaufbauteams Kundus ihren drei gefallenen Kameraden (Foto: dpa)
Bundeswehrsoldaten salutieren im Feldlager des Wiederaufbauteams Kundus ihren drei gefallenen KameradenBild: dpa

Die drei Soldaten waren am Karfreitag bei stundenlangen Gefechten zwischen der Bundeswehr und den radikal-islamischen Taliban erschossen worden. Acht weitere deutsche Soldaten wurden verletzt. Es waren die schwersten Gefechte der Bundeswehr seit ihrem Bestehen.

Niebel fordert Verständnis der Deutschen

Auch Bundesentwicklungsminister Dirk Niebel nahm an der Trauerfeier teil. Der Minister befand sich auf einer Dienstreise in Afghanistan und verlängerte diese um einen Tag, um an der Trauerfeier teilnehmen zu können. Niebel sprach den Soldaten die Anteilnahme der Bundesregierung aus. "Die deutschen Soldaten lassen sich durch noch so heimtückische Gewalt nicht beeinflussen", sagte der FDP-Politiker. "Mit unseren Alliierten werden wir den Kampf gegen den Terrorismus in Afghanistan für ein friedliches, stabiles und sicheres Land fortsetzen."

Minister Niebel im Gespräch mit dem afghanischen Präsidenten Hamid Karsai (Foto: ap)
Minister Niebel beim afghanischen Präsidenten Hamid KarsaiBild: picture-alliance/dpa

Niebel forderte mehr Rückhalt in der Bevölkerung für den Bundeswehr-Einsatz in Afghanistan. Die schweren Gefechte am Karfreitag hätten gezeigt, wie gefährlich die Situation für die Soldaten sei, sagte Niebel in einem Zeitungsinterview. Die Soldaten wünschten sich mehr Verständnis dafür, dass sie sich, manchmal auch präventiv, wehren müssten. "Und sie verstehen nicht, wenn sie sich dafür in der deutschen Öffentlichkeit rechtfertigen müssen oder sogar strafrechtlich verfolgt werden", sagte Niebel. Der Airbus der Bundesregierung, der Niebel zurück nach Deutschland bringt, soll auch die Särge der getöteten Soldaten in ihre Heimat überführen.

Militärexperte wirft Bundesregierung Fehler vor

Im Zusammenhang mit dem tödlichen Gefecht in Afghanistan hat der frühere Generalinspekteur der Bundeswehr, Harald Kujat, der Bundesregierung schwere Vorwürfe gemacht. Aus dem Luftangriff von Kundus im September seien nicht die nötigen Lehren gezogen worden, sagte Kujat in einem Zeitungsinterview. Es gebe ein "Unverständnis über die Bedingungen vor Ort und eine Ignoranz der Notwendigkeiten für die Streitkräfte." Der von der Bundeswehr am 4. September angeforderte Luftangriff habe Defizite offen gelegt, meinte der Militärexperte. "Unsere Soldaten sind dort nur in diese Lage geraten, weil sie - wie so oft - nicht mit den nötigen modernen Aufklärungssystemen ausgerüstet sind." Kujat war von 2000 bis 2002 Generalinspekteur der Bundeswehr. Von 2002 bis 2005 war er Vorsitzender des Militärausschusses der NATO

Harald Kujat (Archivfoto: dpa)
Harald Kujat (Archivfoto)Bild: Picture-Alliance /dpa

"Die Taliban kennen das Gelände, sie sind überlegen. Das muss man doch irgendwie ausgleichen", forderte Kujat in dem Interview. Die Rebellen seien nach dem Luftangriff im September zunächst "geschwächt" gewesen. "Danach haben sie eine gewisse Zeit gebraucht, um sich in Szene zu setzen. Und genau das tun sie jetzt." In wenigen Wochen werde der nächste Anschlag dieser Art folgen, sagte Kujat.

Kujat kritisierte zudem die seiner Meinung nach zu geringe Zahl deutscher Soldaten in Afghanisten. In der Mandatsobergrenze von 4500 plus 500 Mann Reserve sieht er einen "Koalitionskompromiss, der nicht dem tatsächlichen operativen Bedarf entspricht". Nach dem jüngsten Bundestagsbeschluss erkenne er keine wirkliche neue Strategie. Mehr Ausbildung und weniger Kampftruppen, das sei der falsche Ansatz, sagte der ehemals ranghöchste deutsche Soldat.

Bundeswehr seit 2003 in Kundus

Leidenberger wollte dagegen nicht von einer neuen Dimension der Kampfhandlungen in Nordafghanistan sprechen. "Die Lage ist unverändert", sagte er vor Journalisten im Hauptquartier des von Deutschland geführten Regionalkommandos Nord in Masar-i-Scharif. Gefechte habe es im vergangenen Jahr immer wieder gegeben. "Es ist sicher eine schwierige Phase, aber wir sind hier, um diesen Auftrag zu einem erfolgreichen Ende zu führen."

Abschiedsappell in der Fallschirmjägerkaserne im niedersächsischen Seedorf (Archivfoto: ap)
Abschiedsappell in der Fallschirmjägerkaserne im niedersächsischen Seedorf, wo auch die drei getöteten Soldaten stationiert waren, bevor sie in den Einsatz nach Afghanistan kommandiert wurdenBild: AP

Die Bundeswehr engagiert sich seit 2003 in der nordafghanischen Provinz Kundus. Im Rahmen der internationalen Sicherheits- und Aufbautruppe ISAF soll sie für ein stabiles Umfeld sorgen. Kundus war der erste Einsatzort der Bundeswehr in Nordafghanistan, wo inzwischen der deutsche Einsatzschwerpunkt liegt. Im Vergleich zum umkämpften Süden des Landes galt die Region lange als eher ruhig. Mittlerweile kommt es aber auch dort immer wieder zu schweren Anschlägen der radikal-islamischen Taliban. "Jetzt ist der Krieg in den Norden gekommen", sagte jüngst Ex-Verteidigungsminister Volker Rühe (CDU). Mehrere deutsche Soldaten haben bereits ihr Leben beim Einsatz in Afghanistan verloren.

Ostermärsche

Der Tod der drei Bundeswehr-Soldaten schürte auch bei den traditionellen Ostermärchen die Kritik am deutschen Einsatz in Afghanistan. Die größten Veranstaltungen waren am Samstag in München und Stuttgart mit 1200 beziehungsweise 1500 Teilnehmern, wie ein Sprecher des Ostermarschbüros in Frankfurt am Main mitteilte. Bundesweit fanden Mahnwachen, Kundgebungen und Demonstrationen der Friedensbewegung statt.

Der Geschäftsführer des Netzwerks Friedenskooperative, Manfred Stenner, erklärte in Bonn: "Die Nachrichten zu Ostern erinnern uns an die gern verdrängte brutale Realität des Afghanistankrieges und auch seine Aussichtslosigkeit." Die Menschen in der Friedensbewegung "betrauern den Tod der Bundeswehrangehörigen wie alle anderen sinnlosen Opfer dieses Krieges".

Autor: Martin Schrader (afp, dpa, rtr)

Redaktion: Hartmut Lüning

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