EU-Chefdiplomat gesucht
6. Juli 2009Vor zehn Jahren führte die Europäische Union den Posten des "Hohen Vertreters für die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik" ein. Der ehemalige spanische Außenminister und NATO-Generalsekretär Javier Solana war bisher der einzige Inhaber dieses Amtes, was oft als "Chefdiplomat" der EU bezeichnet wird. Die Außen- und Verteidigungspolitik der EU-Mitgliedsstaaten zu koordinieren und gegenüber Verhandlungspartnern als einheitliche Meinung Europas zu verkaufen, sind die Hauptaufgaben des Spaniers gewesen. Gegenüber der spanischen Tageszeitung ABC erklärte Javier Solana jetzt, er werde keine dritte Amtszeit anstreben. Sein Mandat läuft im Herbst aus. An dem eher stillen Diplomaten Solana, der zäh um einen Frieden im Nahen Osten rang, Krisenvermittler auf dem Balkan war und die Gespräche im Atomstreit mit dem Iran führte, gab es auch Kritik von den Mitgliedsstaaten. Solana sei ein wenig zu leise und zu zurückhaltend, hieß es.
Der Sozialist Javier Solana, der am 14. Juli seinen 67. Geburtstag feiern wird, ist von seiner Mission überzeugt. Viele Menschen schauten auf die Meinung Europas in außenpolitischen Fragen. Europas Meinung sei gefragt. "Ich habe im Laufe der Jahre viele, viele Länder bereist, und wo immer man hinkommt, trifft man auf Respekt für die Europäische Union. Und in dieser komplizierten Welt, in der wir leben können wir die Erwartungen an uns nicht enttäuschen", sagte Javier Solana.
Sollte der neue EU-Vertrag von Lissabon zum Jahreswechsel in Kraft treten, wird das Amt des europäischen Außenministers zwar immer noch nicht so genannt, aber dennoch inhaltlich aufgewertet. Der Außenbeauftragte würde gleichzeitig Mitglied der EU-Kommission, also der Verwaltungsspitze, und er bekäme einen eigenen diplomatischen Dienst. Als Kandidaten werden in Brüssel der schwedische Außenminister Carl Bildt und der französische Europaabgeordnete Michel Barbier genannt. Da der Posten aber wahrscheinlich im Herbst als Paket mit dem neuen EU-Kommissionspräsidenten und dem neuen Präsidenten des Europäischen Rates von den 27 Mitgliedsstaaten vergeben wird, ist es noch sehr schwer, konkrete Vorhersagen zu machen. Bei den Überlegungen spielen politische Färbung, Größe des Heimatlandes und regionale Verteilung eine Rolle, nicht nur die persönliche Eignung des Kandidaten.
In weltpolitischen Fragen eine einheitliche Position zu vertreten, das war der Grundgedanke bei der Schaffung des Postens. Doch alle 27 Außenminister müssen hinter dem stehen, was der EU-Außenbeauftragte sagt. Deshalb waren Javier Solanas Äußerungen oft sehr vage. Zusätzlich kompliziert wird es, wenn man die Aufgaben Solanas von denen anderer Funktionsträger in der EU abgrenzen will. Denn neben ihm vertreten auch der Ratspräsident und der Kommissionspräsident die EU nach außen. Und dann gibt es noch das Amt des Außenkommissars, das derzeit Benita Ferrero-Waldner innehat. Sie ist für die unmittelbaren Nachbarn der EU zuständig. Diese komplizierten Strukturen führen immer wieder zu Kompetenzüberschneidungen und Unklarheiten. Und, so Solana in einer versteckten Kritik, man verliert dabei wertvolle Zeit: "Ich finde, mit das Wichtigste, was wir tun können, ist, in Echtzeit zu handeln. Wenn man eine Krise, ein politisches Problem irgendwo auf der Welt hat, dann kann man nicht lange warten, sonst verschwendet man Zeit, Geld, Kraft und wahrscheinlich Menschenleben.“
Der Lissabon-Vertrag, falls er in Kraft tritt, würde diese Strukturen vereinfachen und das Amt des Hohen Vertreters aufwerten. Er bekäme zusätzlich die Aufgaben des Außenkommissars übertragen und würde zusammen mit dem Präsidenten des Europäischen Rates, der dann zweieinhalb Jahre amtierte, die EU nach außen vertreten. Zudem wäre er als einer der Vizepräsidenten der Kommission sowohl in der Europäischen Kommission als auch im Europarat vertreten. Solana fasst die Notwendigkeit einer Reform so zusammen: „Ich glaube, wir brauchen eine Stimme, wir brauchen eine schlüssige Außenpolitik, wir brauchen eine sichtbare Außenpolitik, und wir müssen den Ländern, die mit uns in Verbindung stehen wollen, eine dauerhaftere Struktur der Beziehungen anbieten. Und dafür brauchen wir, glaube ich, einige Veränderungen.“
Bevor Javier Solana 1999 als erster Chefdiplomat von den Staats- und Regierungschefs berufen wurden, war er vier Jahre lang Generalsekretär der NATO. Auch an der Spitze des Militärbündnisses brauchte er viel diplomatisches Geschick. Er führte die Allianz während des Kosovo-Krieges und bereitete gegen den Widerstand Russlands die Aufnahme neuer Mitgliedsstaaten in Mitteleuropa vor. Javier Solana ist gelernter Physiker und trat schon während des Studiums 1964 in die sozialistische Partei Spaniens ein. Nach dem Ende der faschistischen Franco-Diktatur in Spanien wurde Solana 1977 Parlamentsabgeordneter, Kulturminister und schließlich Außenminister.
Autor: Christoph Hasselbach / Bernd Riegert
Redaktion: Andreas Ziemons