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So sehen Sieger aus!

20. Oktober 2012

Nach dem Willen der Jünger Jesu sollte sich der Kampf um die besten Plätze bis ins Himmelreich fortsetzen. Wie dagegen echte Sieger aussehen, erklärt Hildegard König im Wort zum Sonntag der katholischen Kirche.

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Prof. Dr. Hildegard König, Chemnitz
Prof. Dr. Hildegard König, ChemnitzBild: Hildegard König

Jakobus und Johannes… traten zu Jesus und sprachen ihn an: „Lehrer, wir möchten, dass du uns eine Bitte erfüllst“. Er antwortete: „Was soll ich denn für euch tun?“ Sie sagten zu ihm: „Gewähre uns, dass wir in deiner Herrlichkeit rechts und links neben dir sitzen“. Jesus entgegnete: „Ihr wisst nicht, um was ihr bittet. Könnt ihr den Kelch trinken, den ich trinke…?“
Sie antworteten: „Wir können es“. Da sagte Jesus zu ihnen: „Ihr werdet den Kelch trinken, den ich trinke… aber den Sitz zu meiner Rechten oder Linken habe nicht ich zu vergeben: dort werden die sitzen, für die es bestimmt ist…“. (Mk 10,34-40)

So sehen Sieger aus! Auf Platz eins: Jesus von Nazareth; dicht dahinter auf den Plätzen zwei und drei: Johannes und Jakobus. Die anderen sind auf die Plätze verwiesen beim finalen Entscheid in der himmlischen Arena.

Während Jesus seine Freunde mit seinem Tod konfrontiert, haben die keine anderen Sorgen, als sich die besten Plätze im Jenseits zu sichern.

Was uns das Evangelium dieses Sonntags zumutet, ist eine haarsträubende Szene. Haarsträubend der Gedanke, dass sich das kräftezehrende Gerangel, der Kampf ums Podest in alle Ewigkeit fortsetzen soll, mit ewigen Gewinnern und Verlierern. Haarsträubend, die siegesgewisse Anmaßung der beiden. So sehen Sieger aus!

Ich stelle mir vor, wie es um die junge Gemeinde des Markus bestellt war, wenn es damals um Fragen ging, wie wir sie eben zu hören bekamen. Es waren unsichere Zeiten für die Christen: Jesus war hingerichtet worden; aber wer hatte daran noch eine lebendige Erinnerung? Der Tempel in Jerusalem war zerstört, das Ende nahe. Warum kam der Messias nicht? Zeugen, die den Auferstandenen erlebt hatten, waren für ihren Glauben gestorben. - Aber wie ließ sich ihr Glaube ins Gespräch bringen mit einer Welt, so weit weg von aller Hoffnung, so voller Gewalt und Elend? Wie sollte zu verstehen sein, dass aus diesen fragwürdigen Umständen neue Lebenskraft zu gewinnen war?

Kein Wunder, dass sich ihr Blick von der Erde auf den Himmel richtete: Einfach das Hässliche, das Beschämende ausblenden und sich hineinphantasieren ins Paradies, in eine ferne geistige Welt mit einem über alles erhabenen Gott oder freundlich lächelnden Göttern.

Jesus holt seine Vertrauten und Markus seine Gemeinde auf den Boden dieser Welt zurück: Tod und Leiden, Sterben müssen sind die harten Tatsachen, an denen kein Mensch vorbeikommt. Es gibt keine Ausflüchte. Jesus endet nicht als Sieger am Kreuz, und neben ihm werden nicht zwei eifrige Jünger geehrt, sondern zwei Straßenräuber (Mk 15,27) gekreuzigt. So sehen Verlierer aus!

Doch so wie Markus das versteht, nimmt Jesus dieses Geschick bewusst in Kauf, er nimmt es bewusst an und auf sich, um das Leben dem Tod zu entwinden, um den alles lähmenden Bannkreis der Todesangst zu durchbrechen. Das ist seine Bestimmung:Er ist dazu da, sein Leben einzusetzen stellvertretend für alle (Mk 10,45).

Sein Leben einsetzen, sich ganz einsetzen, darum geht es. Das ist Jesu Anliegen und Herausforderung für alle, die sich von ihm ansprechen lassen. Das geht an die Grenzen und über die Kräfte. Leistungssportler, die jahrelang auf den einen Wettkampf, auf den einen Sieg hinarbeiten, können von solchem Lebenseinsatz erzählen, und davon, wie eng Sieg und Niederlage beisammen sind.

Ich kenne aber viele andere, denen es nicht um Sieg geht, sondern um das Leben anderer Menschen. Sie setzen ihr eigenes ein, damit andere leben können: Ihr Rückenmark für einen Leukämiekranken, ihr Blut für ein Unfallopfer, ihre Lebenszeit und Geduld für eine Demenzkranke, ihre Kraft und ihren Mut zugunsten derer, deren Leben gering geschätzt, gefährdet oder bedroht ist. Und sie gehen das Risiko ein, dass sie dabei ihr Leben verlieren, wie der Feuerwehrmann letzthin in meiner Stadt beim Rettungseinsatz.

Dasein, um das Leben für andere einzusetzen: Wenn Ehrenplätze im Himmel, dann solche.

Dr. Hildegard König ist Professorin für Kirchengeschichte an der Technischen Universität Dresden. Darüber hinaus ist sie als freie Dozentin tätig.