1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Das Asylrecht wird verschärft

Heiner Kiesel30. September 2015

Schnellere und schärfere Asylverfahren sollen die Flüchtlingskrise für Deutschland entschärfen. So hofft die Bundesregierung und versucht es mit einem eiligen Gesetz. Der Erfolg des Vorhabens ist jedoch zweifelhaft.

https://p.dw.com/p/1Gfb6
Erstaufnahmeeinrichtung in Kroatien
Trotz aller Bilder - Europa nimmt im Verhältnis zum Rest der Welt weniger Flüchtlinge auf als früherBild: DW/G. Matthes

Bund und Länder sehen sich unter Handlungsdruck. 800.000 Flüchtlinge werden für dieses und nächstes Jahr in Deutschland erwartet. Die Migrationsbewegungen sind zwar für Kenner der Materie nicht überraschend, aber auf der politischen Ebene fehlen bislang überzeugende Antworten darauf. Die Bundesregierung sieht sich jetzt gezwungen, mit einem Gesetzentwurf zu reagieren.

Was steht hinter dem eiligen Gesetz?

Auf einem Gipfeltreffen am 24. September, also vor knapp einer Woche, haben sich Bund und Länder über den Umgang mit der Flüchtlingskrise verständigt. Die dort gefassten Beschlüsse bilden die Grundlage des aktuellen Gesetzesvorhabens. Den Beteiligten ging es um eine bessere Verteilung der Kosten, die die Migranten verursachen und darum, den Umgang mit den Asylbewerbern effizienter zu gestalten. Herausgekommen ist der am Dienstag im Bundeskabinett verabschiedete "Entwurf eines Asylverfahrensbeschleunigungsgesetzes".

Beschleunigt wirkt vor allem das Gesetzgebungsverfahren, in dem es verabschiedet werden soll. Nach einer Untersuchung des Max-Planck-Instituts für Gesellschaftsforschung dauert es in Deutschland in der Regel etwas über 200 Tage von der Einbringung eines Gesetzes bis zu seiner Verkündung. Ein Gesetzesvorhaben muss durch Bundestagsausschüsse, Bundestagslesungen, Bundesratsberatungen und muss in den beiden Kammern schließlich beschlossen werden.

Flüchtlingsgipfel Pressekonferenz im Kanzleramt, Foto: dpa
Beratung im Kanzleramt: Bundeskanzlerin Angela Merkel und die Chefs der Bundesländer einigen sich auf ein gemeinsames VorgehenBild: picture-alliance/dpa/B. von Jutrczenka

Das würde für die Asylrechtsänderungen im Normalfall bedeuten, dass sie Mitte 2016 greifen würden. Das dauert Merkels Mannschaft zu lange. Deswegen soll das Paket zügig durch die Gremien, den Bundestag und –rat geschleust werden, damit diese bis Ende Oktober zustimmen können. Am 1. November möchte man es in Kraft sehen, heißt es in dem Entwurf. Die Zeit drängt auch deswegen, weil im kommenden Jahr in fünf Bundesländern Landtagswahlen anstehen und das Flüchtlings-Thema eines der wichtigsten im Wahlkampf sein wird.

Der Neid und die "Fehlanreize"

An deutschen Stammtischen wird häufig der vermeintliche Luxus verhandelt, der die Flüchtlinge in Deutschland erwartet. Es stehen den Asylbewerbern Leistungen zwischen 287 und 359 Euro sowie ein Taschengeld von 143 Euro zu. In der politischen Diskussion nehmen die Leistungen nach dem Asylbewerber-Leistungsgesetz noch eine weitere Dimension an: Sie werden als Ursache dafür gesehen, dass so viele Flüchtlinge nach Deutschland wollen. In der Diktion der Bundesregierung sind sie schlimmer als Anreize, nämlich "Fehlanreize".

Pegida Demonstration in Dresden, Foto: dpa
Pegida Demonstration in Dresden: Fremdenfeindliche Strömungen haben Zulauf in Deutschland.Bild: picture-alliance/dpa

Nach den Plänen des Bundeskabinetts sollen Asylbewerber bald möglichst kein Geld mehr in die Hand bekommen. Sie sollen so weit wie möglich mit Sachleistungen versorgt werden. Das gab es schon einmal. Dieses Verfahren ist jedoch abgeschafft worden, weil es durch den größerem Verwaltungs- und Organisationsaufwand ziemlich teuer war. Die geplante Veränderung könnte finanziell gesehen eher ein Eigentor für Deutschland sein.

Mehr sichere Herkunftsstaaten - zehn Minuten pro Antrag gespart

Besonders die Menschen, die aus den westlichen Balkanstaaten auswandern und Asyl beantragen stehen oft im Verdacht, gezielt nach Deutschland zu kommen, um Geld abzugreifen. Das soll erschwert werden, indem auch das Kosovo, Albanien und Montenegro zu sicheren Herkunftsstaaten erklärt werden. Asylverfahren der Menschen von dort könnten durch die neue Einstufung schneller bearbeitet werden. Hier geht es jedoch nur um eine symbolische Größenordnung. Fachleute rechnen mit zehn Minuten pro Antrag, denn auch weiterhin muss jeder Asylantrag individuell geprüft werden. Kritik erntet die Bundesregierung bei der Beurteilung von "sicheren Herkunftsstaaten", weil nicht klar ist, was die Kriterien dafür sind. Viele fragen sich: Wie kann es sein, dass die Bundeswehr im Kosovo eingesetzt wird, wenn das Land als sicher gilt?

Die Gewinner

Die Asylverfahren sollen durch eine bessere finanzielle und personelle Ausstattung der zuständigen Behörden beschleunigt werden. Das würde dazu führen, das die Flüchtlinge schneller Klarheit über ihre Zukunft haben. Diejenigen, die abgelehnt werden, sollen dann aber auch schneller abgeschoben werden können. Hierbei würde die zentrale Unterbringung in Lagern als logistisch hilfreich eingeschätzt.

Den Asylbewerbern und Geduldeten, die eine gute Bleibeperspektive haben, stehen nach den Plänen der Bundesregierung künftig Integrationskurse offen. Auch die Wirtschaft darf sich mit den zu Integrierenden freuen, weil der Arbeitsmarkt geöffnet wird. "Das Leiharbeitsverbot für Asylbewerber sowie Geduldete entfällt nach drei Monaten, wenn es sich um Fachkräfte handelt", heißt es in dem Gesetzesentwurf. Geringer qualifizierte dürfen erst nach 15 Monaten Leiharbeiter werden. Stimmen in der CDU von Kanzlerin Merkel fordern bereits, dass die Mindestlohnregelungen für Asylbewerber gelockert werden müssen. Somit könnten die Flüchtlinge noch billiger als Arbeitskräfte eingesetzt werden.

Migranten beim Deutschkurs, Foto: dpa
Deutsch lernen gilt als erste Pflicht für die Integrationswilligen in DeutschlandBild: picture-alliance/dpa/W. Grubitzsch

Den Bundesländern wird die Zustimmung zu dem Gesetz durch eine Abschlagszahlung von 2,68 Milliarden Euro für die Flüchtlingsversorgung 2016 versüßt. Außerdem bekommen die Gliedstaaten noch eine halbe Milliarde Euro für den sozialen Wohnungsbau vom Bund. In der Länderkammer müssen jedoch auch Bundesländer zustimmen, die von Parteien regiert werden, die im Bund in der Opposition sind. Es bleibt spannend, ob das Gesetz tatsächlich so schnell und in der Form umgesetzt wird, wie es sich die Bundesregierung wünscht.