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Waffe weg, Smartphone her

Enrique Gili /ke6. Oktober 2015

Wilderei ist nach wie vor eine massive Bedrohung für viele Arten. Daran ändern auch weltweite Hilfsmaßnahmen wenig. Mit Apps soll es jetzt möglich werden, Wilderei zu verhindern, selbst in abgelegensten Gebieten.

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Bildergalerie Nashörner
Bild: picture-alliance/dpa/A, Scheidemann

Die digitalisierte Welt, in der wir heute Leben, ist in vielen Bereichen vernetzt. Die meisten von uns sind mobil unterwegs und eigentlich immer erreichbar. Die Technik hat in viele Bereiche unseres Lebens Einzug gehalten und es oft auch erleichtert. Weil aber der Zugang zu dieser Technik immer einfacher wird, entstehen auch neue Probleme. Wilderer zum Beispiel können heute den Bestand ganzer Arten überall auf der Welt gefährden, nicht nur durch Waffen, sondern auch mit Hilfe ihrer Smartphones.

Die International Union for the Conservation of Nature (IUCN) geht davon aus, dass Südostasien das Zentrum für die fortschreitende Ausrottung der Arten ist. Die Organisation listet 150 Land- und Wasserspezies auf, die in der Region heimisch und vom Aussterben bedroht sind. Einige werden bis zur Vernichtung verzehrt, andere fallen dem illegalen Handel zum Opfer. Man sagt ihnen etwa heilende Kräfte nach, oder sie dienen als Trophäe und Statussymbol. In Zentralafrika haben Studien ermittelt, dass systematische Wilderei für das Sterben von 100.000 Waldelefanten verantwortlich ist. Das sind 64 Prozent des Bestandes, ausgerottet innerhalb der letzten 10 Jahre.

Es gibt verschiedene Ansätze, diesen Zahlen zu begegnen. Eine ist Waffengewalt. Doch Wilderern in Scharmützeln zu begegnen, ist nicht nur gefährlich, sondern auch aufwändig, langwierig und teuer. Ein Zusammenschluss internationaler Hilfsorganisationen will sich deshalb die moderne Technik zunutze machen, um den Artenverlust zu stoppen.

Jagd auf die illegalen Jäger

Die Umweltschützer wollen vorausahnen, wo Wilderer auftauchen, um die illegale Jagd zu verhindern, noch bevor sie passiert. Eine Software soll ihnen dabei helfen, Ranger zu genau den abgelegenen Orten zu bringen, an denen Wilderer sonst ungestört aktiv werden könnten. Ins Leben gerufen hat den Plan die New Yorker NGO Wildlife Conservation Society (WCS), zusammen mit sieben anderen Naturschutzgruppen.

Die Anwendung hat den hoffnungsvollen Namen SMART (Spatial Monitoring und Reporting Tool). Die App versorgt ihre Nutzer mit verschiedenen Informationen zur aktuellen Wilderei-Situation. Sie zeigt an, was passiert ist, und an welchem Ort. Sie ist für den Einsatz auf GPS-fähigen Geräten entwickelt worden, die besonders robust und witterungsbeständig sind. So ist es möglich, jederzeit über die Arbeit der Wildhüter und sonstige Vorkommnisse im Bilde zu sein.

"Wir können alle möglichen Daten sammeln und auswerten", sagt Alexa Montefiore, die das SMART Programm koordiniert. "Wir sehen, wo sie partroullieren, aber auch, was sie dort vorfinden. Die Schlüsselfunktion von SMART ist allerdings, dass es auch funktioniert, wenn man nicht online ist. Die gesammelten Daten werden gebündelt, um alles effizienter zu machen."

Im Unterschied zu früheren Konzepten werden die Daten nicht mehr an einzelnen Feldstationen gesammelt, sondern an eine Zentrale übertragen und auf sicheren Servern gespeichert. Die Ranger geben ihre Daten in ein Mobilgerät ein, von dort aus landen sie in einer Software, die diese Daten visualisiert. Dabei ergeben sich Muster, sagt Montefiore, mit deren Hilfe Ranger gezielter zu den Orten geschickt werden können, die potentiell gefährdet sind.

Die Möglichkeit, direkt vor Ort Informationen zu Tierbeständen und Wilderern zu sammeln, könnte die Wende bringen, hoffen die Umweltschützer. SMART ist inzwischen in 130 Schutzgebieten in 29 Ländern Afrikas, Asiens und Lateinamerikas im Einsatz. Es können noch viel mehr werden. Kolumbien beispielsweise hat Interesse daran, die kostenlose Software in sein eigenes Parksystem zu integrieren. Das wären insgesamt 58 Parkanlagen, so Montefiore.

Die weite Verbreitung von Handys nutzen

Ein aufmerksamer Ranger mit einem Mobilgerät kann allerdings kaum das Allheilmittel gegen illegales Handeln sein. Allerdings profitiert er von zwei technologischen Trends. Erstens hat er die Möglichkeit, Informationen auf digitalem Wege zu teilen, zweitens bedeutet diese Entwicklung einen deutlich geringeren finanziellen Aufwand. Robuste Handys kosten zwischen 120 € und 500 €, sie sind damit um ein Vielfaches billiger als die klobige und große Funkausrüstung früherer Tage. Ein heutiges Smartphone ist so leistungsfähig wie Laptops noch vor wenigen Jahren war.

Dazu kommt, dass die Handy-Nutzung in Asien und Afrika geradezu durch die Decke gegangenist. Laut einer Umfrage des Meinungsforschungsunternehmens Gallup besaßen 2013 fast zwei Drittel aller Haushalte im südlichen Teil Afrikas mindestens ein Mobiltelefon. Und Smartphones spielen auch in Südostasien eine immer größere Rolle. In Kambodscha besitzen 58 Prozent der Städter ein solches Gerät, und auch 47 Prozent der Landbevölkerung hat ein Mobiltelefon.

"In vielen Gebieten, in denen wir aktiv sind, haben die Menschen Zugang zu dieser Technologie", sagt Antony Lynam vom Asien Programm des WCS. "Für viele sind Smartphones Teil der täglichen Kommunikation. SMART ist da dann nur ein weiteres Stück Technologie, die sie nutzen können. Aktuell haben wir fünf oder sechs Pilot-Standorte."

Mit vereinten Kräften

Neben dem WCS gibt es noch andere Einrichtungen, die ähnliche, mobile Ziele verfolgen. Ein über crowdfunding finanziertes Umweltschutzprojekt etwa will der Volksgruppe der Ju|'hoansi Smartphones in die Hand geben. Die Jäger und Sammler gelten als Wächter des Nyae Nyae Gebiets in Namibia. Laut der Fundraising-Website Crowdfunder wollen die Ju|'hoansi die Telefone nutzen, um die illegale Verbreitung von Rindern auf ihrem angestammten Gebiet zu überwachen.

Eine weitere App heißt Sapelli. Sie ist ein Kartografierungstool, mit dessen Hilfe die Menschen im Kongobecken das Handeln von Wilderern überwachen und aufzeichnen können.

Natürlich, gibt Lynam zu bedenken, kann diese Technologie nur wirksam sein, wenn man sie benutzt. "Wilderer können die Arbeit der Ranger relativ zügig beeinträchtigen, vor allem in Gebieten mit wertvollem Holz oder seltenen Arten", sagt er. "Schmuggler treten schnell mal auf den Plan und beginnen damit, Ranger zu bestechen."

Lynam spricht aus Erfahrung. In seiner Karriere als Naturschützer hat er oft genug erlebt, dass Schmuggler den Wildhütern viel Geld zahlen, damit die ein Auge zudrücken.

Technische Probleme

Und auch der Einsatz von Technologie selbst ist nicht ohne Risiko. Würde es ein Wilderer oder Schmuggler schaffen, Zugang zur SMART Datenbank zu bekommen, die Folgen wären beträchtlich. Nicht nur für die Wildhüter, sondern auch für die Arten, die sie beschützen.

Aber die Herausforderung ist angenommen. Selbst wenn die Schmuggler über "die beste Kommunikationsausrüstung, Fahrzeuge und Netzwerke" verfügen, die ihnen helfen, ihre illegalen Güter über die Grenzen zu bekommen, wie Lynman sagt. "Dies stellt eine ständige Herausforderung an die Strafverfolgungsbehörden dar."

Umweltschützer müssen beweglich bleiben, neue Wege finden, um das Problem der Wilderei zu bekämpfen. Deshalb begrüßt Lynman SMART und die Möglichkeit einen Blick in den aktuellen Zustand von Schutzgebieten zu werfen. Naturschützer brauchen diese Informationen, um die passenden Maßnahmen zu ergreifen.

Ein Löwe im Gras
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