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Slowakische Gasindustrie unter deutsch-französischer Aufsicht

21. März 2002

– Folgen des Verkaufs des slowakischen Gaskonzerns SPP

https://p.dw.com/p/21FT

Prag, 21.3.2002, PRAGER ZEITUNG; deutsch, Ewald Trojansky

Die deutsche Ruhrgas AG muss einstweilen den 2,7-Milliarden-Dollar-Kauf des slowakischen Erdgasmonopolisten Slovensky plynarensky priemysel SPP nur mit der französischen Partnerfirma Gaz de France finanzieren. Der dritte Partner im Konsortium, die russische Gazprom, sucht noch nach Geld für ihren Anteil. Dennoch will Ruhrgas weiter nach Osten expandieren - nachgedacht wird über einen Einstieg in die polnische Gasindustrie, eine weitere Aufstockung des SPP-Anteils sowie des Ruhrgas-Anteils an Gazprom.

Bei der Vertragsunterzeichnung am Montag (18.3.) in Bratislava gab es eine Überraschung: Ruhrgas und Gaz de France werden zuerst alleine den 49-Prozent-Anteil an der SPP bezahlen, die Unternehmenskontrolle teilen sich einstweilen nur Deutsche und Franzosen. Auch das frisch erworbene Aktienpaket wird hälftig unter den Zahlenden aufgeteilt – "rein formal" wie Ruhrgas-Vorstandschef Burckhard Bergmann erklärte. "Ohne zeitlichen Druck" sollten die Russen die Finanzierung klären, man habe "auf ein Ultimatum verzichtet."

Die Zahlungsschwierigkeiten des russischen Erdgas-Kolosses Gazprom - an dem die Ruhrgas AG mit fünf Prozent beteiligt ist - kommen nicht überraschend. Wie die deutsche Wirtschaftszeitung "Handelsblatt" berichtete, musste das Unternehmen in diesem Jahr zur Deckung laufender Kosten 5,8 Milliarden Dollar aufnehmen. Insgesamt sei das Unternehmen mit 13 Milliarden Dollar verschuldet. Bereits Ende 2001 habe der russische Rechungshof gewarnt, Gazprom sei nicht in der Lage, aus eigenen Mitteln die Zahlungsfähigkeit wieder herzustellen.

Die Ruhrgas will - nachdem Versuche in der tschechischen und der ungarischen Gasindustrie einzusteigen gescheitert sind - weiter nach Osten expandieren. In der Slowakei jedenfalls hat sich das Konsortium auch die Option gesichert, bei weiterer Privatisierung des Unternehmens (an dem der slowakische Staat noch 51 Prozent hält) die Mehrheit an der SPP übernehmen zu können.

Wie der Wirtschaftsdienst vwd Mittel- und Osteuropa meldet, ist der Essener Konzern daran interessiert, Investor beim polnischen Gasmonopolisten Polskie gornictwo naftowe i gazownictwo (PGNiG) zu werden. "Sollte die PGNiG privatisiert oder restrukturiert werden, werden wir das mit Interesse beobachten", sagte Ruhrgas-Vorstandsmitglied Ulrich Schöler am Rande einer Pressekonferenz in Warschau. Die Frage sei, ob ein strategischer Aktionär die Chance habe, sich zu beteiligen: "Das ist es, woran wir interessiert sind."

Außerdem will die Ruhrgas AG ihren Anteil an der russischen Gazprom aufstocken, "zu einem günstigen Zeitpunkt", wie Bergmann sagt.

Der Einstieg des Ruhrgas-Konzerns in die slowakische Gasindustrie hat für die tschechische Transgas - den zur RWE Gas AG gehörenden Betreiber der Transitpipelines, durch die russisches Erdgas nach Westeuropa geleitet wird - womöglich unangenehme Folgen. Denn Ruhrgas hat sich mit der SPP einen strategischen Knotenpunkt im Erdgastransit nach West- und Südeuropa gesichert: ihre Leitungen bringen 70 Prozent der russischen Erdgasexporte dorthin. In der Slowakei liegen zwei wichtige Abzweigungen. Die eine führt zur ÖMV nach Österreich, die andere zu Transgas nach Tschechien.

Die tschechische Transgas aber gehört dem Ruhrgas-Rivalen RWE Gas AG. Die Ruhrgas hatte sich bei der Privatisierung von Transgas - in einem Konsortium mit Gaz de France und Gazprom - um den Kauf bemüht, war aber gescheitert. Schon im Vorfeld der Entscheidung orakelte Ruhrgas-Vorstandschef Burckhard Bergmann, wenn die Interessen seines Konsortiums nicht berücksichtigt würden, werde sich das Gas einen anderen Weg suchen. Nun hat er den entscheidenden Hebel in der Hand - er kann den Transit durch Tschechien drosseln und mehr Gas durch Österreich leiten. Bergmann hält sich einstweilen zurück, will "keine Konfliktszenarien an die Wand malen." Eine Zusammenarbeit mit RWE Gas sei möglich, hänge aber von den Bedingungen ab.

Über die Folgen des slowakischen Deals denkt man nun in Tschechien nach: "Mittelfristig könnte es zu einer Beschränkung des Erdgastransits durch Tschechien und zu einer Senkung der Transitgebühren kommen, was sich auf das Geschäftsergebnis von Transitgas negativ auswirken würde", meint Vratislav Ludvik von der Onyx Convergency. (ykk)