1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Dienstwagen und Flugzeug-Affären

28. Juli 2009

Immer wieder geraten Politiker mit der Nutzung von Dienstwagen und -flugzeugen in die Schlagzeilen - aber nicht alles, was in der Presse, beim politischen Gegner und beim Volk für Erregung sorgt, ist schon ein Skandal.

https://p.dw.com/p/IyRV
Dienstwagen von Konrad Adenauer (Foto: dpa)
Dienstwagen des ersten Bundeskanzlers Konrad AdenauerBild: picture-alliance/ dpa

Andererseits: Nicht alles, was formal nicht zu beanstanden ist, ist auch politisch klug. Und so bleibt bei vielen Affären und Affärchen rund um Dienstfahrt und Dienstflug ein "Geschmäckle“ zurück, mal mehr, mal weniger stark.

Im aktuellen Fall von Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt hilft ein Blick in die "Richtlinien für die Nutzung von Dienstkraftfahrzeugen in der Bundesverwaltung (DKfzR)". Der Ministerin steht als Kabinettsmitglied ein "personenbezogener Dienstwagen" zu. Zwar gilt sie nicht als "hoch gefährdet" wie die Kanzlerin, der Innen-, der Außen- und der Verteidigungsminister - die aus Sicherheitsgründen immer mit der gepanzerten Limousine samt Personenschutz unterwegs sind. Aber auch Ulla Schmidt hat Anspruch auf einen Wagen samt Chauffeur "zur alleinigen und uneingeschränkten Nutzung". Und zwar durchaus auch für nicht dienstliche Zwecke.

Privat ist erlaubt und auch noch gratis

In § 20 der "Richtlinien" heißt es dazu: "Mitglieder der Bundesregierung und Staatssekretäre haben für Privatfahrten in personengebundenen Dienstkraftfahrzeugen kein Entgelt zu entrichten." Nur das Finanzamt interessiert sich dann doch noch für den Unterschied zwischen dienstlicher und privater Fahrt: "Die Besteuerung geldwerter Vorteile aus einer privaten Nutzung von Dienstkraftfahrzeugen bleibt unberührt." Und so ist also auch die Minister-Fahrt zwischendurch zum spanischen Strand erlaubt und gratis, aber steuerpflichtig.

Die Bonusmeilen-Affäre

Mann vor Lufthansa-Reklametafel für 'Miles & More' (Foto: AP)
Es wäre ja so schön, aber dienstliche Bonusmeilen privat verfliegen - das dürfen Politiker nichtBild: AP

Die "Bonusmeilen-Affäre" 2002 war das einzige Dienstreisen-Skandälchen mit personellen Konsequenzen: Gregor Gysi trat als Berliner Wirtschaftssenator zurück, Cem Özdemir von den Grünen gab sein Bundestagsmandat auf. Andere Politiker zahlten Geld zurück - oder saßen die Sache einfach aus.

Der Hintergrund: Durch Indiskretionen bei der Lufthansa war herausgekommen, dass Bundestagsabgeordnete die Bonusmeilen aus dem Vielfliegerprogramm "Miles and More", die sie für dienstliche Flüge bekommen hatten, anschließend für private Reisen einsetzten. Das war zwar strafrechtlich nicht relevant, verstieß aber doch gegen die internen Vorschriften des Parlamentes: Dienstlich erworbene Meilen dürfen nur bei Dienstreisen eingesetzt werden.

Die Mallorca-Affäre(n)

Für die Entlassung Rudolf Scharpings aus dem Amt des Verteidigungsministers war die sogenannte "Mallorca-Affäre" 2001 nur ein Mosaikstein: Der Minister war damals mit der Flugbereitschaft aus dem Urlaub zu einer Sondersitzung des Bundestages nach Berlin geflogen, und dann noch einmal für einen Abend bzw. eine Nacht zurück auf die Insel, zu seiner damaligen Freundin und jetzigen Frau, Gräfin Pilati. Ein sehr kurzer Resturlaub, denn gleich am nächsten Tag ging es zum Truppenbesuch nach Skopje.

Eine Wiederauflage erlebte die Geschichte 2007, als Bundesumweltminister Sigmar Gabriel aus dem Urlaub zu einer Kabinettssitzung zitiert wurde - wiederum Mallorca-Berlin und abends Berlin-Mallorca, jeweils als Einzelpassagier mit einer Maschine der Flugbereitschaft. In beiden Fällen stand nicht der Flug nach Berlin in der Kritik, sondern der schnelle und teure Rückflug in die Ferien. Gabriel ließ mitteilen, er habe bis zum Abend noch Amtsgeschäfte in Berlin erledigt und deswegen keinen Linienflug am Nachmittag nehmen können.

Und Scharping war schlicht und ergreifend nicht bereit, auf die ihm verbleibenden Resturlaubs-Stunden zu verzichten. Das sah, speziell im Fall des Verteidigungsministers, nicht besonders gut aus. Aber rechtlich ging die Sache jeweils in Ordnung.

Flug-Affäre Hans Eichel

Maschine der Flugbereitschaft des Bundesverteidigungsministeriums (Foto: dpa)
Flugbereitschaft der Bundeswehr: Die Maschinen vom Typ Challenger bieten Politikern eine flexible Reisemöglichkeit. Ganz billig ist die Sache allerdings nicht...Bild: dpa

Die Reise mit der exklusiven Fluggesellschaft "Luftwaffe" ist ohnehin über die Jahre hinweg ein Affären-Dauerbrenner: 2000 geriet der damalige Finanzminister Hans Eichel in Rechtfertigungsnöte. Auffällig oft hatte er die Jets der Flugbereitschaft für die Strecke Berlin-Frankfurt angefordert, und das speziell an Wochenenden. Spekuliert wurde über private Gründe: Die Kinder des Ministers lebten in Wiesbaden.

Und außerdem war Eichel Vorsitzender der hessischen SPD. Bundestagsabgeordneter war er aber nicht, und somit entfiel die von anderen Politikern gern angegebene "Wahlkreispflege" als Begründung für Heimflüge übers Wochenende. Das Ministerium legte eine Liste vor, in der für jeden Flug der dienstliche Anlass genannt wurde und der Grund, warum kein Linienflug ausgereicht hatte. Oft war das "Dispositionsraum" für Gespräche oder Interviews; es sei häufig nötig gewesen, das "Verkehrsmittel mit der größten Flexibilität" zu nutzen.

Flug-Affäre Rita Süssmuth

Die besondere Flexibilität wusste 1995 und 1996 auch die damalige Bundestagspräsidentin Rita Süssmuth zu schätzen, die recht häufig mit der Flugbereitschaft von Berlin nach Zürich düste. Sie habe ihre dort lebende Tochter besucht, wurde Süssmuth vorgeworfen. Die Politikerin konterte, jedes Mal habe es einen dienstlichen Anlass gegeben - zum Beispiel auch eine "Festveranstaltung zum 75-jährigen Bestehen der schweizerischen Erwachsenenbildung". Gewisse Details der Erklärungen Süssmuths ließen den ein oder anderen mit dem Kopf schütteln, aber letztlich entlastete der Ältestenrat des Bundestags die Präsidentin von den Vorwürfen.

Dienstwagen-Affäre Süssmuth

Ex-Bundestagspräsidentin Rita Süssmuth (Foto: dpa)
Die Bundestagspräsidentin a.D. Rita Süssmuth hat gleich zwei Affären überstandenBild: picture-alliance/ ZB

Eine "Dienstwagenaffäre", da schließt sich der Kreis, hatte Rita Süssmuth zuvor auch schon glimpflich überstanden. 1991 hieß es, ihr Ehemann habe die Wagen der Fahrbereitschaft unerlaubt genutzt. Mitnehmen dürfen die Berechtigten Privatpersonen nämlich durchaus - siehe den aktuellen Fall Schmidt, wo auch der Sohn des Fahrers mit an Bord war.

Aber alleine fahren oder alleine gefahren werden dürfen Gatten oder auch Kinder eigentlich nicht. Wieder waren die Begründungen etwas, das man glauben konnte oder auch nicht: Der Ehemann habe Süssmuth chauffiert oder sei in ihrem Auftrag unterwegs gewesen. Auch in diesem Fall wurde die Präsidentin von der Bundestagsverwaltung entlastet.

Und die Moral von der Geschicht

Skandal, Skandälchen oder Sturm im Wasserglas - die Frage ist in vielen Fällen schwierig zu beantworten. Und in die Herzen schauen, das kann nur der Herr allein, würden Gläubige sagen. Aber jede neue aufgedeckte, vermeintliche oder tatsächliche Affäre taugt ja mindestens auch als Warnung an die Dienstfahrt- und Dienstflugberechtigten - damit der Glaube des Wahlbürgers und Steuerzahlers nicht über alle Maßen strapaziert wird.

Autor: Michael Gessat
Redaktion: Thomas Grimmer