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"Situation auf Zypern berücksichtigen"

Alexander Göbel16. Januar 2004

Mit Romano Prodi besucht nun erstmals seit 40 Jahren wieder ein EU-Kommissionspräsident die Türkei. Etwa genauso lange hofft die Türkei auf einen EU-Beitritt.

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Annäherungsversuche: Türkei und die Europäische UnionBild: AP

1963 war ein besonderes Jahr für die Türkei: Damals unterzeichnete Walter Hallstein als Präsident der damaligen Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) mit den Türken das "Abkommen von Ankara". Dieser Assoziationsvertrag stellte der Türkei eine spätere

Mitgliedschaft in der EU in Aussicht.

Nachdem die Türkei beim EU-Gipfel in Helsinki 1999 offiziell den Status eines Beitrittskandidaten erhielt, konnten viele Reformen angeschoben werden: So etwa zur Unabhängigkeit der Justiz oder zur Kontrolle des Staates über das Militär. Folgerichtig hat die EU-Kommission der Türkei in ihrem Bericht vom November 2003 attestiert, sie sei auf einem guten Weg nach Europa.

Weitere Anstrengungen nötig

Zugleich mahnte die Behörde aber, dass weitere Anstrengungen der Türkei notwendig seien, besonders auf dem Gebiet der Menschenrechte. Deren Wahrung gehört zu den Bedingungen, die die EU auf dem Gipfel 1993 in Kopenhagen für Beitrittskandidaten festgelegt hat. Prodis Mahnung an die Türkei bleibt, und sie ist deutlich: "Ich habe gesagt, dass die Achtung der Menschenrechte ein ganz wichtiger Punkt ist für unsere politische Sichtweise. Die Kopenhagener Kriterien gelten für alle Länder. Und ich kann nur sagen: Sie gelten auch für die Türkei."

Im Oktober 2004 wird es spannend für die Türkei: Dann legt die EU-Kommission ihren Bericht vor, auf dessen Grundlage über Beitrittsverhandlungen entschieden wird. Doch vom eigentlichen Beitritt sei die Türkei auch dann noch weit entfernt. "Was einen Termin angeht, habe ich keinerlei Zusagen gemacht, und ich kann und werde mich auch jetzt nicht festlegen", sagt Prodi. "Im Oktober wird unser Bericht vorgestellt werden - ein Bild vom Ist-Zustand in der Türkei. Dann werden wir auch noch mal genau beobachten, was sich bis dahin verändert haben wird und inwieweit die neuen Gesetze tatsächlich umgesetzt sind."

Lage auf Zypern nach wie vor ungeklärt

Die Türkei hat für Europa auch geostrategische Bedeutung: Sie ist als Nachbar des Iraks, Syriens und Irans ein Schlüsselstaat für die Stabilisierung des Nahen und Mittleren Ostens. Doch die nach wie vor ungeklärte Lage auf Zypern widerspricht diesem wichtigsten Argument der Türkei.

"Wir haben erklärt, dass wir so hilfreich wie möglich sein wollen, um die guten Beziehungen mit der Türkei weiter zu entwickeln", sagt auch der neue amtierende EU-Ratspräsident Bertie Ahern. "Es wäre weise, wenn man die Situation in Zypern berücksichtigen würde. Die irische Ratspräsidentschaft würde es sehr begrüßen, wenn bei der

Aufnahme der neuen EU-Mitglieder im kommenden Mai auch ein vereintes Zypern dabei wäre."

Zypern, das am 1. Mai mit neun anderen Ländern in die EU aufgenommen werden soll, ist seit dem Einmarsch türkischer Truppen im Sommer 1975 geteilt. Seither hält die Türkei den Norden der Mittelmeerinsel, in dem etwa 18 Prozent der Bevölkerung leben, besetzt. Ankara hat dort mehr als 40.000 Soldaten stationiert. Die Türkei ist das einzige Land, das Nordzypern international anerkennt. Falls es nicht zu einer Wiedervereinigung kommt, tritt im Mai nur

der griechische Inselteil der Europäischen Union bei.

Den EU-Traum wahr machen

Eine Lösung des Zypern-Konflikts ist zwar keine Bedingung für die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen mit der Türkei. In EU-Kreisen gilt es allerdings als wünschenswert, dass die Türkei seinen Einfluss auf die türkisch-zypriotische Regierung nutzt, damit ein geeintes Zypern der EU beitreten kann. Das könne sich nur positiv auf die eigenen Interessen Ankaras in Bezug auf die EU-Mitgliedschaft auswirken. "Im Zusammenhang mit dem Problem Zypern leben wir alle in der gleichen politischen Welt", meint Bertie Ahern. "Es stimmt eben, dass die Menschen den Eindruck haben, dass ein Fortschritt in Zypern auch der Türkei nützen würde."

Das will auch Kommissionspräsident Prodi seinen türkischen Gesprächspartnern klar machen: Eine EU-Mitgliedschaft ganz Zyperns kann für die eigenen Ambitionen nur von Vorteil sein - und dazu beitragen, den türkischen EU-Traum in naher Zukunft wahr zu machen.