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Sind wir nicht alle ein bisschen luna?

Silke Ballweg22. November 2002

Es wieder soweit: Vollmond über Mitteleuropa. Die meisten Menschen werden den Mond kaum wahrnehmen. Andere glauben, dass Eigenartiges passieren wird. Sie fühlen sich vom Mond beeinflusst.

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Bei Vollmond fangen nicht nur die Wölfe an zu heulenBild: AP

Den eigenen Körper an Schläuchen und Maschinen angeschlossen, aufgewacht nach tagelangem Koma. So fand sich Josef S. im Jahr 1993 auf der Intensivstation wieder. Er wusste nicht, was geschehen war. Seine Freundin erzählte ihm später, sie sei in der Nacht von einem Geräusch aufgewacht, ihr Freund lag nicht neben ihr im Bett. Das Dachfenster der Wohnung im 4. Stock stand offen. Josef S. liegt auf dem Erdboden, den Körper blutig, mehrere Knochenbrüche.

Schlafgewandelt

Heute glaubt Josef S., dass es der helle Vollmond war, der ihn in der Novembernacht 1993 aus dem Bett trieb. "Ich bin an dem Abend mit meiner Freundin spazierengegangen und erinnere mich noch, dass wir in den Himmel schauten, an dem der Mond als riesige Scheibe stand."

Erstaunt war S. von seinem Ausflug nicht, denn schon als Kind sei er schlafgewandelt. "Meine Mutter hat immer auf den Kalender geschaut, wenn ich nachts mal wieder im Schlaf durch die Wohnung geisterte. Und immer waren es Vollmondnächte." Noch heute spürt S. die Wirkungen des Monds.

Für jede Tätigkeit der richtige Mond

Für die Buchautorin Johanna Paunnger gehören solche Erzählungen zum Alltag. Mit dem "Erdtrabanten" kennt sie sich aus. 1991 erschien Paunngers Buch "Vom richtigen Zeitpunkt". Innerhalb weniger Wochen avancierte der Mondphasen-Ratgeber zum Bestseller. Die gebürtige Tirolerin schrieb darin all das auf, was sie auf dem Bauernhof ihrer Eltern gelernt hatte: welche Zeit die beste ist für das Aussähen von Getreide, warum man bei zunehmendem Mond nicht zum Zahnarzt gehen oder wann man sich eingewachsene Fingernägel schneiden lassen soll. Begründen, warum das so ist, kann sie jedoch nicht. "Wer es ausprobiert, wird sehen, dass es stimmt."

Alles Humbug?

"Nein, da ist nichts dran", meint Tilmann Müller, Somnologe am Schlaflabor in Münster. "Wissenschaftlich haltbar ist das mit dem Mond nicht." Alle Untersuchungen hätten ergeben: eine Verbindung zwischen Vollmond und Schlaflosigkeit bestehe nicht. "Es ist ein Gedächtniseffekt", meint Müller. "Wenn Menschen schlecht schlafen und jemand ihnen sagt, dass Vollmond herrschte, dann bringen sie das damit in Verbindung. Sie leiden bei Nicht-Vollmondnächten aber genauso an Schlaflosigkeit. Nur, daran erinnern sie sich nicht."

Gutes Geschäft dank Mondglauben

Die Gemeinde der Mondbegeisterten stört das jedoch nicht. Und im Internet boomt das Luna-Geschäft: Dort finden sich T-Shirts mit Mondaufdrucken, garantiert bei Vollmond gebraute Biere oder Sternkarten. Die in Rosenheim ansässige Mondbotschaft verhökert online sogar ein 10.000 qm großes Mond-Grundstück, für gerade mal 30 Euro.