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Silvester in Kabul: Helfen statt Böllern

Das Gespräch führte Henrik Hübschen31. Dezember 2003

Robert Habermann macht Radio für die Bundeswehr in Kabul. Zu Weihnachten und Silvester stapeln sich die Grüße aus der Heimat. Zeit zu Helfen bleibt trotzdem noch, wie der Oberleutnant DW-WORLD im Interview verraten hat.

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Geschenke bringt in Afghanistan der OberleutnantBild: DW

DW-WORLD: Wie war das Weihnachtsfest bei der Truppe?

Oberleutnant Robert Habermann: Wir hatten natürlich viel zu tun. Die Familien nutzen die Möglichkeit, über Radio Andernach ihre Jungs und Mädels hier in Afghanistan zu grüßen. Das bedeutet für uns viel Arbeit, aber es ist eine Arbeit, die uns sehr viel Freude macht.

Mit den Grüßen ist es ja noch relativ einfach, mit Geschenken schon schwieriger. Gab's trotzdem welche?

Wir sind reichlich beschenkt worden. Von unseren Familien, unseren Freunden. Auch unser Spieß, also unser Kompanie-Feldwebel aus der Heimat, hat uns ein Paket geschickt. Da waren eine Flasche Bier und ein Bierkrug und solche Sachen drin. Das hat uns wirklich alle gefreut.

Jetzt sind das ja relativ kleine Geschenke, aber trotzdem Dinge, die die meisten Menschen in Afghanistan nicht haben. Ist es schwer sich über Geschenke zu freuen, wenn man sieht, wie schlecht es den Menschen geht?

Das ist richtig. Die Probleme, die man selber hat – die Trennung von der Familie, der Dienst hier in diesem Land – werden sehr schnell sehr klein, wenn man sieht, wie die Menschen hier leben. Ganz besonders deutlich wurde uns das, als wir ein Waisenhaus in Kabul besucht haben. Dieses Waisenhaus, so schilderte uns der Direktor, verfügt über kein Brennholz. Brennholz ist hier in Afghanistan ein Luxus.

Es kursieren Gerüchte über Preise von sieben US-Dollar für ein Kilo Brennholz. Und ein Waisenhaus von dieser Dimension kann sich das nicht leisten. Die 850 kleinen Kinder in allen Altersgruppen sind dort in kalten Räumen. Das einzige was diese Räume erwärmt ist die Menge der Menschen, die sich darin aufhält. Uns ist das so nahe gegangen, dass wir spontan die Aktion Brennholz ins Leben gerufen haben. Hier bei uns im Camp liegt so viel Holz – alte Paletten, Sperrholz, Reste unseres Bauholzes – dass wir beschlossen haben, dieses Brennholz zu sammeln und zu diesem Waisenhaus zu bringen.

Wird sich das wiederholen oder war es eine einmalige Geschichte?

Wir haben den Eindruck gewonnen, dass jede Hilfe hier in Afghanistan im Prinzip nur ein Tropfen auf den heißen Stein ist. Man kann gar nicht genug geben. Es wird immer zu wenig sein. Wir sind am Sonntag (28.12.) in dieses Waisenhaus gefahren, mit einem großen LKW voller Brennholz und einem kleinen VW-Bus voller Süßigkeiten. Die hatten wir aus unseren ganzen Weihnachtspaketen gesammelt, weil wir gar nicht so viel Schokolade essen können. Sie können sich gar nicht vorstellen, wie anrührend es war, die Kinder zu sehen, die dort mit großen Augen die Schokolade angestarrt haben und ihr Glück gar nicht fassen konnten.

Wahrscheinlich werden auch die Silvesterfeierlichkeiten ein wenig anders aussehen als zu Hause, oder?

Ja, der Begriff Rakete hat in Afghanistan einen etwas anderen Klang, vor allem wenn man hier als Soldat tätig ist. Aber Silvester geht schon mehr die Party ab als an Weihnachten. Im Planet Kabul – das ist sonst unser Feldkino – ist eine große Disco. Radio Andernach liefert die riesengroße Musikanlage, wir haben einen Discjockey und dann lassen wir so richtig die Kuh fliegen.

Was haben Sie denn für Wünsche für's neue Jahr?

Wenn man in diesem Waisenhaus gewesen ist, da werden die eigenen Probleme und die eigenen Wünsche klein. Ich hoffe bloß, dass dieses Land irgendwann mal wieder auf die Beine kommt, und dass diese Kinder nicht so aufwachsen müssen, wie das ihre Eltern vielleicht getan haben. Und dass endlich das Elend für diese Kinder aufhört.