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Russischer Computer-Traum

23. Juni 2010

Präsident Medwedew will nach US-Vorbild bei Moskau ein russisches Silicon Valley schaffen - als Teil einer Modernisierung seines Landes, das aber Tausende Wissenschaftler bereits verlassen haben. Werden sie zurückkommen?

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Computerchip (Foto: AP)
Russland braucht InnovationBild: AP

Die russische Regierung will die Arbeitsbedingungen für Wissenschaftler in Russland verbessern und somit dem "Brain Drain" ein Ende setzen. Niemand dürfe festgehalten werden, aber man müsse die Talente des Landes bewahren, sagte im April der russische Präsident Dmitrij Medwedew. Besondere Hoffnungen setzt er deshalb in das Innovationszentrum Skolkovo bei Moskau, ein russisches "Silicon Valley", soll dort bald entstehen.

Portrait von Benedikt Brisch (Foto: DW)
Benedikt Brisch: Verluste für russische Wissenschaft schmerzhaftBild: Eric Lichtenscheidt/DAAD

Vom "Brain drain" aus Russland und anderen GUS-Ländern profitiert auch Deutschland, wo Tausende von Immigranten in der Forschung tätig sind. "Für Russland ist der Verlust von hochqualifizierten Wissenschaftlern im Bereich der Naturwissenschaften und Ingenieurwissenschaften natürlich besonders schmerzhaft, auch für die Mathematik, die Raketenforschung, Weltraumforschung, Kernforschung", meint der Leiter der Gruppe Mittel- und Osteuropa/GUS beim Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD), Benedikt Brisch. Ihm zufolge zieht es die meisten jungen Spezialisten aus den GUS-Ländern nicht zurück nach Hause.

Entscheidung für Deutschland

Portrait von Alia Gizatulina (Foto: DW)
Alia Gizatulina arbeitet für die Max-Planck-GesellschaftBild: Alia Gizatulina

Der 35-jährige Viacheslav Lel, Mitarbeiter der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule in Aachen fände es durchaus interessant, sowohl in Russland als auch in Deutschland zu arbeiten. Er hat in Russland am Institut für Thermische Physik in Nowosibirsk sein Studium abgeschlossen. Jedoch konstatiert er, dass in Aachen die Grundlagen für wissenschaftliche Arbeit viel besser sind als in Russland: "Als ich Russland verließ, gab es dort viel weniger Möglichkeiten, gute Forschungsausrüstung zu nutzen."

Auch die 30-jährige Alia Gizatulina, Absolventin der Kirgisisch-Russischen Slawischen Universität in Bischkek, entschied sich für Deutschland und arbeitet heute am Bonner Max-Planck-Institut zur Erforschung von Gemeinschaftsgütern. Nur dort gebe es ein entsprechendes wissenschaftliches Umfeld in ihrem Forschungsbereich, sagte sie. "Die wissenschaftliche Basis und die Menschen, die die gleiche Ausbildung wie ich haben, waren entscheidend für die Wahl des Arbeitsortes", betonte die Wissenschaftlerin.

Portrait von Tatyana Krivobokova (Foto: DW)
Tatyana Krivobokova arbeitet gerne in GöttingenBild: Tatyana Krivobokova

Ähnliche Beweggründe waren auch für die aus Kasachstan stammende 35-jährige Professorin Tatyana Krivobokova vom Institut für Mathematische Stochastik der Universität Göttingen ausschlaggebend. "Göttingen ist eine große Universität mit einem legendären Mathematischen Institut. Hier gibt es Max-Planck-Institute, mit denen ich zusammenarbeite. Und an diesen sind Wissenschaftler von Weltrang tätig", so Krivobokova.

Medwedews Pläne umstritten

Alia Gizatulina und Tatyana Krivobokova würden durchaus nach Russland oder in einen der postsowjetischen Staaten umziehen, aber nur, wenn dort gleiche Arbeitsbedingungen wie in Deutschland herrschen würden. Dann würden sie auch im russischen Innovationszentrum in Skolkovo arbeiten.

Medwedews Pläne für ein russisches "Silicon Valley" sieht der junge Wissenschaftler aus Aachen, Viacheslav Lel, skeptisch: "Das Projekt in Skolkovo ist ziemlich umstritten und es ist fraglich, ob es überhaupt realisiert wird." Lel sagt, ein solches Projekt wäre am Forschungszentrum in Nowosibirsk viel besser angesiedelt, denn dort gebe es praktisch alle dafür notwendigen Wissenschaftsbereiche. "Ich weiß nicht, was man in Skolkovo überhaupt aufbauen will", so der junge Wissenschaftler.

Viacheslav Lel spricht in ein Mikrofon (Foto: DW)
Viacheslav Lel: Nowosibirsk wäre besserer StandortBild: Viacheslav Lel

Laut Benedikt Brisch vom DAAD waren in den Jahren Forscher aus dem Ausland zurückgekehrt, als Russland dank hoher Einnahmen aus den Exporten von Energieträgern einen wirtschaftlichen Aufschwung erlebte. Das war noch lange bevor die Pläne für ein russisches "Silicon Valley" auf dem Tisch lagen. Die Wirtschaftskrise des vergangenen Jahres habe aber zu einem Stimmungswechsel geführt. Viele Wissenschaftler würden nun im Ausland lieber abwarten, wie sich die Lage in ihrer Heimat weiter entwickelt.

Autor: Viacheslav Yurin / Markian Ostaptschuk
Redaktion: Fabian Schmidt / Mareike Röwekamp