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Signal für den Rechtsstaat

Cornelia Rabitz27. Mai 2004

"Kalif" Metin Kaplan darf in die Türkei abgeschoben werden. In Deutschland wegen Mordaufruf vorbestraft und zwischenzeitlich untergetaucht, wird er nun mit einer Großfahndung gesucht. Ein Kommentar von Cornelia Rabitz.

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Das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Münster ist ein Signal für den Rechtsstaat und gegen die Prediger von Hass und Gewalt.

Es wurde gesprochen unmittelbar nachdem sich die deutschen Parteien - nach langem Streit gerade um Sicherheitsaspekte - auf die Grundzüge eines neuen Zuwanderungsrechts geeinigt hatten. Darin sollen die Abschiebemöglichkeiten für extremistische und des Terrorismus verdächtige Ausländer deutlich verschärft und die Einspruchsmöglichkeiten auf eine Instanz reduziert werden. Das heißt der Rechtsweg wird abgekürzt, aber nicht abgeschafft. Der zeitliche Zusammenhang von Zuwanderungs-Einigung und Kaplan-Urteil ist ein Zufall. Vielleicht zeigt aber gerade der Fall Metin Kaplan, wie sinnvoll eine solche Regelung sein kann.

Der Islamist und Führer der verbotenen Organisation "Kalifatstaat" darf also abgeschoben werden - eine Entscheidung, auf die man nach langem juristischem Tauziehen kaum noch zu hoffen wagte. Freilich hat Kaplan auch jetzt noch die Möglichkeit zur Revision - in der mittlerweile dritten Instanz. Und zwei Gutachten, die ihm eine ernsthafte Erkrankung bescheinigen, könnten ebenfalls noch Folgen für den weiteren Gang der Dinge haben.

Dennoch: Endlich zeigt der Rechtsstaat einem geistigen Brandstifter die rote Karte - ein Beispiel, das hoffentlich Schule machen wird. Zur Demokratie gehört neben Freiheit und Gerechtigkeit auch Stärke. Ein demokratischer Rechtsstaat muss diese Werte mit aller Entschiedenheit und mit Selbstbewusstsein demonstrieren, wenn er herausgefordert wird. In Zeiten, da sich militante Islamisten anschicken, die angebliche Dekadenz demokratischer Systeme anzuprangern und zum Kampf aufrufen, ist das nötiger denn je.

Metin Kaplan hat sein Gastrecht gründlich verwirkt. Schon seit langem ist er in Deutschland als eine Zumutung betrachtet worden, eine Zumutung übrigens auch für jene, die sich für ein friedliches Zusammenleben der verschiedenen Kulturen und Nationalitäten hierzulande einsetzen. Der Rechtsstaat freilich geht auch mit denen, die ihn - wie Kaplan und seine Anhänger - verachten langmütig, großzügig und fair um. Er räumt ihnen Chancen vor deutschen Gerichten ein. Kaplan hat - theoretisch - sogar jetzt noch eine weitere. Die Frage ist gleichwohl erlaubt, ob ein rechtsstaatliches Verfahren nicht auch mit weniger Instanzen garantiert gewesen wäre.

In Zukunft müssen deutsche Richter und Behörden dennoch darüber nachdenken, wohin sie abschieben. Beim Oberverwaltungsgericht Münster hat man die vorliegenden Fakten geprüft und die Versicherung der türkischen Regierung, dass Kaplan in dem dort anstehenden Prozess fair behandelt werde, ernst genommen. Es liegt an der türkischen Justiz, dies nun auch zu beweisen. Mit Blick auf den angestrebten EU-Beitritt des Landes sind sichtbare Schritte auf dem Weg hin zu mehr Rechtsstaatlichkeit zweifellos von Vorteil.

Dass Kaplan nach dem Urteil und dem danach erlassenen Haftbefehl gegen ihn untertauchen konnte, ist eine Peinlichkeit ohnegleichen, die die Bemühungen der deutschen Justiz konterkariert. Die Behörden hätten damit rechnen müssen, dass er sich der jetzt angeordneten Abschiebehaft entziehen und im Schutz seines nach wie vor aktiven Umfeldes Unterschlupf suchen würde. Man war nicht darauf vorbereitet.

Die Beobachtung der Sympathisantenszene von Kaplan und anderen Extremisten bleibt eine wichtige Aufgabe. Ebenso wichtig ist es, extremistischer Verblendung und Hass auch geistig Einhalt zu gebieten. Islamisten sind nach wie vor eine Minderheit innerhalb einer Mehrzahl friedliebender Ausländer in Deutschland. Und die wollen mit Leuten vom Schlage Kaplans sicher nichts zu tun haben.