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Stauforschung im Reich der Mitte

Frank Sieren9. Oktober 2015

Nach einem erzwungenen Boxenstopp rollt Chinas Automarkt langsam wieder an. Für Volkswagen ist China nun wichtiger denn je, meint DW-Kolumnist Frank Sieren.

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Volle Autobahn (Foto: Getty Images/AFP/J. Eisele)
Bild: Getty Images/AFP/J. Eisele

Auch in China ist es schwieriger geworden, Volkswagen zu verkaufen. Das liegt aber nicht an "Dieselgate", sondern an der chinesischen Wirtschaft. Wie schön sah die Zukunft noch vor einem Jahr aus. Doch dann gingen die Umsätze zurück – es ging eine ganze Zeit lang nicht mehr voran. Die Stimmung in der Industrie war in diesem Jahr zwischenzeitlich so schlecht wie seit der Weltfinanzkrise 2009 nicht mehr.

Zwar war schon vor zwölf Monaten abzusehen, dass die Wirtschaft nicht mehr mit viel mehr als sieben Prozent wachsen würde. Aber für die meisten deutschen Automanager fühlte sich das so an, als seien sie gerade noch auf der linken Spur der Autobahn gebrettert und plötzlich ohne Vorwarnung in eine Baustelle mit einer Geschwindigkeitsbegrenzung von 100 Stundenkilometern gefahren. Für einen Beobachter ist das immer noch sehr schnell. Man selbst aber glaubt, man fahre Schrittgeschwindigkeit.

Im Vergleich noch immer hohe Absatzzahlen

So bedeuteten 12 Prozent Absatzeinbruch im Juli für Audi immer noch 42.000 verkaufte Autos. Das sind fast so viele, wie im gesamten vergangenen Jahr in Italien ausgeliefert wurden. Was war passiert? Verschiedene Faktoren hatten zu den gesunkenen Absatzzahlen geführt. Die Börse war eingebrochen, die Immobilienpreise fielen, die Exporte gingen zurück. All das hat die Chinesen dazu gezwungen, den Fuß vom Gas zunehmen. Und dann noch die Antikorruptionskampagne. Die funktioniert wie bei einer Radarfalle.

Selbst wenn man nicht erwischt wird, fährt man in Schockstarre die nächsten Kilometer erst mal langsamer als erlaubt, um dann nach und nach die Geschwindigkeit wieder zu erhöhen. Das ist zwar irrational, aber so funktionieren Autofahrer und Märkte nun mal. Inzwischen läuft es wieder besser für die deutschen Autobauer. Audi ist, wie zuletzt bekannt wurde, inzwischen wieder bei 52.000 verkauften Autos im Monat und einem Wachstum von 2,9 Prozent. Und manche Hersteller sind sogar schon wieder mit dem Bleifuß auf der linken Spur.

Frank Sieren (Foto: privat)
DW-Kolumnist Frank SierenBild: Frank Sieren

China für VW nun noch wichtiger

Daimler etwa gibt Gas und schickte im September gleich 53 Prozent mehr Autos auf chinesische Straßen als im Vorjahresmonat. Allerdings liegt der Autobauer damit immer noch auf Platz drei im Rennen der drei großen deutschen Premiummarken, da Daimler vor Jahren den Startschuss verpasst hatte und seitdem hinterher fährt. Poleposition hat nach wie vor Audi, die immerhin noch 2,9 Prozent im September zulegen konnten. BMW liegt dazwischen. Das gesamte deutsche Premiumsegment ist also wieder im Rennen in China.

Und auch die Mittelklasse darf wieder hoffen. Die obersten Pekinger Regulierer haben versprochen, für Autos unter 1,6 Liter Hubraum auf grüne Welle zu schalten, und vergangene Woche Steuererleichterungen angekündigt. Das dürfte vor allem Volkswagen freuen. Die hatten sich ja verstärkt im amerikanischen Markt engagiert, um nicht so abhängig von China zu sein. Das hat sich nun erstmal erledigt. China ist mehr denn je das gelobte Land.

DW-Kolumnist Frank Sieren lebt seit 20 Jahren in Peking.