1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Sierens China: Nicht kleckern, sondern klotzen

Frank Sieren1. Oktober 2015

Die Vereinten Nationen bekommen auf ihrem diesjährigen Gipfeltreffen endlich Rückenwind. Ausgerechnet aus China, meint DW-Kolumnist Frank Sieren.

https://p.dw.com/p/1GgX1
Der chinesische Präsident Xi Jinping bei einem UN-Treffen (Foto: AP/Seth Wenig)
Bild: picture-alliance/AP Photo/S. Wenig

Es sollte ein Treffen werden wie jedes Jahr. Ein paar Reden, ein bisschen Sticheleien austauschen, Ziele setzen, die unerreichbar scheinen, weil es in jeder Familie ein paar schwarze Schafe gibt, die sich querstellen, und dann wieder heimfahren, ohne etwas erreicht, umgesetzt, entschieden oder verändert zu haben. So ist zumindest der Ruf der UN bisher. Das wäre nicht weiter schlimm, wenn es nicht um Krieg, Terror und Klimawandel ginge. Beim Thema Klimawandel haben sich jetzt China und die USA immerhin aufeinander zu bewegt. Lange hatte Peking sich geweigert, Zugeständnisse zu machen.

Die Begründung: Nachdem der Westen schon Vorspeise und Hauptgericht verspeist hat, sei das Angebot, nun das Dessert zu teilen, nicht angemessen. Kurz: China wollte geringe Klimaschutzziele als der Westen, weil der Westen durch seine starke wirtschaftliche Entwicklung seit Beginn der industriellen Revolution für den Großteil der heute vorhandenen klimaschädlichen Treibhausgase verantwortlich sei. Doch nun hat sich China bewegt. Staats- und Parteichef Xi Jinping kündigte an, bis 2017 den CO2-Ausstoß der Fabriken Chinas drastisch zu reduzieren. Das Kleingedruckte wird allerdings erst im Dezember beim Weltklimagipfel in Paris diskutiert.

Milliardeninvestitionen in armen Staaten

Auf eine Zahl ließ sich Xi immerhin schon festlegen: Peking investiert drei Milliarden US-Dollar in den Klimaschutz von armen Staaten. Beide Länder verfolgen nun gemeinsam das Ziel, die Klimaerwärmung weltweit auf zwei Grad zu begrenzen. Denn beide, Xi und Obama, stehen unter Druck. Obama, weil er kurz vor dem Ende seiner Amtsperiode noch einen Erfolg feiern möchte. Und Xi, weil ihm zu Hause die Bürger Chinas in den Ohren liegen. Sie wollen vor allem saubere Luft. Wenn es ein Thema gibt, bei dem trotz der gegenwärtigen starken Führung die soziale Stabilität des Landes in Gefahr ist, dann ist es der Umweltschutz. Die Unzufriedenheit der Bürger könnte das Land ins Wanken bringen. Das will Peking um jeden Preis verhindern.

Aber Chinas Position in der UN wird jetzt nicht nur wichtiger, weil Xi und Obama hinsichtlich Umweltfragen gemeinsame Sache machen. Auch wenn es um den Weltfrieden geht, können die Amerikaner nicht mehr allein handeln. Im Fall Syriens geht es auch nicht mehr ohne China und vor allem nicht ohne Russland. Und das, obwohl der Westen die Sanktionen gegen Russland weiter aufrechterhält. Ohne Putin gibt es keine Lösung. Und Putin sucht Verbündete für seine Strategie. Vorsichtige Zustimmung gab es dabei von Bundeskanzlerin Merkel vor ihrer Reise nach New York, die davon sprach, dass man "auch mit Assad reden" müsse. China ist immer dafür, dass alle mit allen reden. Und Irans Staatspräsidenten Hassan Rohani ist begeistert, da er sich natürlich gefreut hat, dass er überhaupt von irgendjemandem wieder gefragt wird.

China - vernünftigster Verhandlungspartner Obamas

Und das NATO-Mitglied Türkei hat auch eigene Vorstellungen, die sich nicht mit denen Washingtons decken. Mit dieser Machtkonstellation muss Washington nun umgehen, auch wenn das Obama gar nicht passt. Derzeit sind es ausgerechnet die Chinesen unter den Großmächten, mit denen man am vernünftigsten verhandeln kann. Vielleicht können die Kontrahenten ja an den Pragmatismus der Klimaverhandlungen anschließen.

DW-Kolumnist Frank Sieren lebt seit 20 Jahren in Peking.