1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Londons Bauunternehmer aus Fernost

Frank Sieren10. März 2015

Großbritannien versucht, seine Beziehungen zu China zu verbessern. Ein wichtiger Grund: ein britisch-chinesisches Geschäftsmodell, das das Zeug hat, sich in ganz Europa auszubreiten, meint DW-Kolumnist Frank Sieren.

https://p.dw.com/p/1EoIb
Prinz William füttert einen Elefanten (Foto: AFP/Getty Images)
Bild: STR/AFP/Getty Images

Im Deutschen sagt man "zwei Fliegen mit einer Klappe ", im Chinesischen heißt es "zwei Vögel mit einem Stein ". Beide Redewendungen passen auf Prinz Williams Besuch in China vergangene Woche. Es ging um schöne Bilder und interessante Geschäfte. William fachsimpelte mit Präsident Xi Jinping über Sport, besuchte eine Filmpremiere in Schanghai, ritt auf einem Elefanten in Südchina. Das sind Bilder, um die sich William nicht reißt, die aber dem chinesischen Protokoll sehr gelegen sind. Da muss es also für London schon um mehr gehen. Und tatsächlich: Die Beziehung zu China gilt es zu pflegen. Denn China ist inzwischen der Bauunternehmer Großbritanniens.

Wie wichtig London das ist, zeigt schon allein die Tatsache, dass zum ersten Mal seit 29 Jahren ein Mitglied der britischen Königsfamilie wieder das chinesische Festland besuchte.1986 war die Queen im Reich der Mitte. In den folgenden gut zehn Jahren rückte die Rückgabe der britischen Kronkolonie Hongkong an China immer näher. Und es schien nicht angebracht, sich in Peking blicken zu lassen. Danach erst recht nicht. Vor drei Jahren empfing Großbritanniens Premier David Cameron den Dalai Lama in London. Peking empfand dies als gezielte Provokation und war eine Weile lang verstimmt. Zuletzt ärgerten sich die Chinesen, als Cameron bei den Studentenunruhen in Hongkong klar Position zugunsten der Demonstranten bezog, und daraufhin eine britische Parlamentarierkommission kein Visum für Hongkong bekam.

Einladung der Queen für chinesischen Staatschef

Angesichts dieser Spannungen wäre eine gewisse Reserviertheit nicht verwunderlich. Und es wäre nicht erstaunlich gewesen, wenn Prinz William seinen Besuch um ein Jahr verschoben hätte. Doch beide Seiten wollen, ja sie müssen offensichtlich Geschäfte machen. Nichts ist vergessen, nichts ist vergeben. Aber die Spannungen werden einfach beiseitegeschoben. Denn Großbritanniens Infrastruktur ist heruntergekommen, und London hat kein Geld. China hingegen hat Geld und kann billig und gut bauen. Deshalb tanzte Cameron einige Male in Peking vor, bis Premier Li Keqiang dann vergangenes Jahr auch nach London flog. Großbritannien war nicht Teil seiner ersten Reise in Europa. Aber immerhin reiste Li im ersten Amtsjahr. Und nun hat auch Präsident Xi seinem Besucher Prinz William vergangene Woche versprochen, in diesem Jahr der Einladung der Queen zu folgen, und nach London zu kommen. Und die Queen empfängt kaum noch jemanden.

China ist inzwischen der Bauunternehmer Großbritanniens. Ein Bauunternehmer zudem, der die Bankfinanzierung gleich mitbringt. Diese Geschäftsbeziehungen sollten sich die anderen Europäer genau anschauen – besonders die Deutschen. Nicht zuletzt, weil das Geschäftsmodell auch in anderen europäischen Ländern Schule machen kann. Während Peking in Deutschland eher an Technologien und Know-how oder an Firmenkäufen interessiert ist, wird in Großbritannien gebaut, was das Zeug hält: 145 Milliarden Euro will Peking bis 2025 in britische Straßen, Schienen und Kraftwerke investieren – also noch einmal das Zehnfache dessen, was zwischen 2005 und 2013 an Geld aus China in britische Infrastruktur geflossen ist. Und doppelt soviel, wie Deutschland pro Jahr nach China exportiert.

Chinesische Investitionen in britische Infrastruktur

Aber wieso lassen die Briten ihre Straßen, Schienen und Flughäfen von den Chinesen finanzieren und bauen und nicht etwa von den Deutschen? Das könnte daran liegen, dass wir in Sachen Flughafenbau und anderer Großprojekte weltweit inzwischen eher zu einer Lachnummer geworden sind. Und wir trotz Rekord-Steuereinnahmen nicht mal unsere Straßen vernünftig reparieren können. Und wir sind auch zu teuer. Infrastruktur bauen und dazu noch günstig finanzieren, das können die Chinesen mittlerweile einfach besser. Den Flughafen in Heathrow jedenfalls haben sie mit ihren Investitionen gerettet. Und die Autobahn zwischen London und Manchester würde ohne Geld aus Peking auch nicht weiter ausgebaut.

Und es gibt noch einen Sektor in dem Deutschland – wenn auch aus anderen Gründen – komplett aus dem Spiel ist: die Atomkraft. Letztes Jahr hat Chinas Premier und Regierungschef Li Keqiang bei seinem Besuch in London mehrere Deals abgeschlossen, bei denen China nicht nur britische Atomkraftwerke mitfinanzieren soll. Chinesische Firmen werden sie dazu auch noch bauen und betreiben, sofern sie sich an die britischen Sicherheitsstandards halten. Großbritannien lässt sich also mit chinesischem Geld und Know-how runderneuern. Ein Modell, das nicht nur dort und in vielen Ländern Afrikas und Südamerikas gut funktioniert, sondern wahrscheinlich bald in ganz Europa üblich sein wird.

Modellcharakter für ganz Europa?

Mit Griechenland ist China längst im Geschäft. Und von den großen europäischen Ländern wird Frankreich zuerst auf den Geschmack kommen. Es gibt längst intensive Gespräche mit den Chinesen. Denn in Frankreich ist das Geld knapp. Ende vergangenen Jahres hat bereits ein Konsortium um das Staatsunternehmen Hi-Speed Group aus der ostchinesischen Provinz Shandong 49 Prozent des Flughafens von Toulouse gekauft – immerhin nach Paris, Lyon und Marseille die viertgrößte Stadt Frankreichs. Das wäre ungefähr so, als würden sich die Chinesen zur Hälfte am Kölner Flughafen beteiligen. Das klingt nach Zukunftsmusik. Aber wahrscheinlich wird auch der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble bald Gefallen an der Idee finden, China zu Deutschlands Generalunternehmer zu machen, oder Peking als Teilhaber ins Boot zu holen. Denn das Preisleistungsverhältnis stimmt. Und teures Bau-Chaos wie am Berliner Flughafen oder an der Hamburger Elb-Philharmonie wird es dann jedenfalls nicht mehr geben.

DW-Kolumnist Frank Sieren lebt seit 20 Jahren in Peking