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Sierens China: Innovationen aus Fernost

Frank Sieren19. März 2015

Bei der CeBIT in Hannover wird eines klar: In der Digitalisierung der Zukunft kommen Innovationen immer häufiger aus China, meint DW-Kolumnist Frank Sieren.

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Kanzlerin Angela Merkel mit Chinas Vizepremier Ma Kai (l) und Alibaba-Gründer Jack Ma neben Bundeskanzlerin Angela Merkel auf der CeBIT 2015 (Foto: Reuters)
Bild: Reuters/Morris Mac Matzen

Die Bilder sprechen für sich. Alibaba-Gründer Jack Ma (im Artikelbild rechts) steht selbstbewusst neben der Kanzlerin Angela Merkel bei der Eröffnung der CeBIT, der weltgrößten IT-Messe. Seine Botschaft ist eindeutig: Er möchte, dass das Image der chinesischen IT-Marke eines Tages so für Qualität und Innovation steht wie das der deutschen Traditionsunternehmen Mercedes oder Siemens. Das ist nicht unmöglich, dauert allerdings noch. Immerhin ist China mittlerweile nicht nur größter Produktionsstandort für Elektronik weltweit, sondern zugleich auch der wichtigste Wachstumsmarkt der Welt. Das Verhältnis zu China ist daher auch in Deutschland zwiespältig. Es reicht von Angst bis Euphorie.

Euphorie, wenn uns klar wird, welches Potenzial das bevölkerungsreichste Land der Welt hat: Toll, was wir denen noch alles verkaufen können. China sichert so weiterhin unseren Wohlstand.
Aber auch: Wahnsinn, wie weit die schon sind. Wir werden uns warm anziehen müssen, um noch mithalten zu können. Bundeskanzlerin Merkel hat den richtigen Ton im Umgang mit den neuen aufsteigenden Ländern gefunden: Wenn China und Indien aufholen, könne man nicht feststellen, "wir gönnen Euch diesen Erfolg nicht, weil wir dadurch Wettbewerbsnachteile haben". Wenn sie stattdessen sagt: "Wir freuen uns auf diesen Wettbewerb" ist es allerdings auch übertrieben. Kein Unternehmer, kein Manager freut sich über mehr Wettbewerb. Und auch die Kanzlerin arbeitet sehr sorgfältig daran, die Zahl der Wettbewerber in ihrer Partei so gering wie möglich zu halten.

Partner von heute, Wettbewerber von morgen

Allenfalls kann sie der Wirtschaft raten, die Herausforderung anzunehmen, um selbst wettbewerbsfähig zu bleiben. Auch, wenn sie selbst anders handelt. Sicher ist, dass unsere chinesischen Partner von heute unsere Wettbewerber von morgen sind. Noch orientiert sich China auf dem Weg der Digitalisierung an Deutschland und bringt dadurch Technologieanbietern wie Bosch oder Siemens lukrative Aufträge. Aber man sollte die Aufholgeschwindigkeit nicht unterschätzen. Denn die Unternehmen in China haben drei wichtige Ressourcen, die sie immer wettbewerbsfähiger werden lassen: viel Geld, einen riesigen Heimatmarkt und immer besser ausgebildetes Personal.

Jedes Jahr strömen im Reich der Mitte mehrere Millionen gut ausgebildeter Ingenieure, Informatiker, Mathematiker und Physiker aus den Universitäten des Landes auf den Berufsmarkt. Mögen auch nicht alle so gut sein wie deutsche Ingenieure, sind es jedoch sehr viele. Rund vier Millionen Menschen arbeiten schon jetzt in den Forschungsabteilungen des Landes. Und auch die Forschungsausgaben der Chinesen liegen mit 200 Milliarden US-Dollar deutlich über denen einiger westlichen Länder. Dem Bundesministerium für Bildung und Forschung zum Beispiel stehen in diesem Jahr – trotz eines Anstiegs des Etats von rund neun Prozent zum Vorjahr – nur etwas über 15 Milliarden Euro zur Verfügung.

Frank Sieren Kolumnist Handelsblatt Bestseller Autor China
DW-Kolumnist Frank SierenBild: Frank Sieren

Immer mehr wettbewerbsfähige Produkte

Während wir vor zwei Dekaden erst nach China verkauft haben und dann in China produzieren ließen, hat sich das Blatt nun gewendet. Die Chinesen drängen immer mehr mit wettbewerbsfähigen Produkten erfolgreich in unsere Märkte vor. Dabei gelten in China die gleichen Regeln wie bei uns: erst der eigene Gewinn, dann der Gewinn des Partners. Das hat wenig mit Planwirtschaft, Diktatur und Kommunismus zu tun, sondern ist ein international verbreitetes Phänomen. Der ICE fährt nicht in Frankreich, der TGV nicht in Deutschland. Amerikanische Autos sind in den USA Marktführer, obwohl sie qualitativ mit deutschen Autos nicht mithalten können. Waren einst die Hightech-Produkte "Made in China" Regalhüter, weil sie qualitativ nicht mit denen aus dem Westen mithalten konnten, wird der Abstand nun immer kleiner.

Offensichtlich wird das im Smartphone-Bereich: Namen wie Huawei, Xiaomi und ZTE sollte man sich merken. Die drei großen Smartphone-Hersteller setzen Apple und Samsung unter Druck, machten sie doch jeweils rund 12 Milliarden US-Dollar Umsatz im vergangenen Jahr in dieser Sparte und verkauften gemeinsam über 180 Millionen Smartphones. Auch Internetunternehmen wie Tencent, Baidu und Alibaba sind ernst zu nehmende internationale Wettbewerber. Tencent als größtes Internetunternehmen in China, Baidu als der größte Suchmaschinenbetreiber und Alibaba als der größte Onlineriese, der erst im vergangenen Herbst eine Rekordsumme von 25 Milliarden US-Dollar beim Börsengang in New York einnahm.

Huawei und die deutsche T-Systems kündigen auf der CeBIT eine strategische Partnerschaft an (Foto: DW)
Huawei und die deutsche T-Systems schließen eine strategische PartnerschaftBild: DW/Mu Cui

Deutschland braucht mehr Innovation

Alibaba-Chef Jack Ma kann selbstbewusst sein, ruht er sich doch auf seinem bisherigen Erfolg nicht aus, sondern arbeitet immer weiter an Visionen für seine Branche. Auf der CeBIT sorgte er mit einer neuen Innovation für Aufsehen: Per Gesichtserkennung bezahlte er eine Onlineshoppingtour per Mobiltelefon und stahl allen die Show. Chinas Unternehmen investieren viel in die Automatisierungs- und Digitalisierungsforschung. Auch dieser Trend sorgt für Unsicherheit im Westen. Doch wir im Westen sind noch längst nicht in der Hand der Chinesen, sondern können über unser Schicksal selbst bestimmen. Allerdings nur, wenn wir unsere Chancen und Risiken realistisch einschätzen und die entsprechenden Schlüsse daraus ziehen. Der wichtigste lautet: Wir brauchen mehr Innovation. Einfach so weitermachen, reicht nicht mehr.

DW-Kolumnist Frank Sieren lebt seit 20 Jahren in Peking.