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"Sichtliche Harmonie und gute Stimmung"

24. November 2003

- Deutscher Bundeskanzler auf Blitzbesuch in Budapest

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Budapest, 24.11.2003, BUDAPESTER ZEITUNG, deutsch

Am vergangenen Mittwoch Abend (19.11.) hielt sich Bundeskanzler Gerhard Schröder für einige Stunden in Budapest auf. Nach einem Gespräch und einem Abendessen mit Premier Péter Medgyessy saß er am gleichen Abend bereits wieder im Flugzeug nach Deutschland. Es war sein dritter Besuch in Ungarn als Kanzler.

Im Anschluss an ihr mehr als einstündiges Gespräch traten beide Politiker in sichtlicher Harmonie und guter Stimmung vor die Presse. Laut Medgyessy habe man sich im wesentlichen zu drei Themenbereichen ausgetauscht: dem europäischen Verfassungsentwurf, der Außen- und Sicherheitspolitik sowie der Vertiefung der deutsch-ungarischen Zusammenarbeit. Beide Länder wollen unter anderem in den Bereichen Forschung und Entwicklung enger kooperieren.

Eine Expertengruppe soll jetzt nach Möglichkeiten der Zusammenarbeit auf diesem Gebiet suchen sowie staatliche und private Initiativen koordinieren. Weiterhin wollen beide Länder auf dem Gebiet des Ausbaus der Verkehrsinfrastruktur enger kooperieren. Stärkere Perspektiven sehen Medgyessy und Schröder auch im Agrarbereich. "Hier zählt Ungarn bei der Anpassung an EU-Verhältnisse auf die Erfahrungen Deutschlands", betonte der ungarische Premier.

"Die deutsch-ungarischen Beziehungen sind unverändert hervorragend, die Wirtschaftsbeziehungen erstklassig", schloss sich Kanzler Schröder dem Tenor seines Vorredners an. Lediglich zwei kleine Meinungsverschiedenheiten gebe es, beide betreffen die geplante europäische Verfassung: Bei der Frage der Bestimmung der Zahl der Ländervertreter in der Kommission nach der Erweiterung und der Verankerung der Minderheitenrechte im Verfassungstext.

Der Kanzler gab Ungarn in diesem Zusammenhang den gutgemeinten Rat, mit Blick auf die Vorbehalte einiger Länder die ungarische Position in der Minderheitenfrage nicht in den Vordergrund zu stellen. In seiner Entgegnung wies Medgyessy Schröders Rat vielsagend lächelnd zurück: "Wir nehmen viele gute Ratschläge des deutschen Kanzlers gerne an, dieser gehört nicht dazu". Ungarn würde weiter seinen eingeschlagenen Weg beschreiten.

Als eines von zehn Beitrittsländern will Ungarn zudem mit einem eigenen ständigen Vertreter in der künftigen EU-Kommission vertreten sein. Vor allem Deutschland und Frankreich treten jedoch dafür ein, den Umfang der Kommission mit 15 Mitgliedern überschaubar zu halten. "Hier geht es um die Regierungsfähigkeit Europas", sagte Schröder. Diese Frage werde sicherlich erst ganz zuletzt entschieden werden.

Für die deutsch-ungarischen Beziehungen spielen die beiden zur Sprache gekommenen Differenzen keine Rolle. An Deutschland würde ein ungarischer Vorstoß in der Minderheitenfrage auf keinen Fall scheitern, machte der Kanzler deutlich. Obwohl die Positionen beider Länder nicht in allen Punkten deckungsgleich seien, wären die Ziele gemeinsam, "unüberwindliche Probleme" gebe es nicht. Deutschland werde alles dafür tun, dass die Verfassung bis zum Ende des Jahres stehe.

Angesprochen auf das Problem der Stasi-Gelder, die noch immer vermutlich in Ungarn schlummern sollen, erklärte Schröder, dass diese Frage von Experten "entpolitisiert" gelöst werden müsse. Seiner Überzeugung nach sei die ungarische Regierung daran interessiert, dass das Vermögen wieder an seinen rechtmäßigen Eigentümer überführt werde. Mit Blick auf die extreme Kürze des Besuchs erklärte Medgyessy, dass Schröder soeben eine Einladung für einen längeren Ungarnbesuch Mitte des kommenden Jahres angenommen habe. (fp)