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"Si" zur EU-Verfassung

Daphne Antachopoulos20. Februar 2005

Spanien verliert durch die geplante EU-Verfassung Einfluss, Macht und Fördergelder aus der EU. Trotzdem werden sich die Spanier für das Vertragswerk aussprechen. Denn sie stimmen mit dem Herzen für Europa!

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Ein Herz für EuropaBild: AP

Würde und Gleichberechtigung bedeutete der Beitritt Spaniens 1986 zur damaligen Europäischen Gemeinschaft. Das rechnen die Spanier Europa heute noch hoch an. Durch die 36-jährige Franco-Diktatur bis 1975 isoliert, kam endlich auch Schwung in die Wirtschaft des Landes. Spanien wurde zum größten Nettoempfänger der EU, erhielt insgesamt 105 Milliarden Euro aus den Brüsseler Kassen. Ein erstaunlicher Modernisierungsschub wurde angestoßen. Auch das vergessen die Spanier nicht so schnell.

Gründe für Europa

Daher ist es nicht erstaunlich, dass nach letzten Umfragen über 70 Prozent der Bürger am Sonntag (20.02.) für die Verfassung der EU stimmen werden, sagt Professor Walther Bernecker, Spanien-Experte an der Universität Nürnberg-Erlangen. Eine hohe Zustimmung, obwohl rund 90 Prozent der Bürger nicht genau wissen, was in dem Mammut-Werk steht. Nur wenige am rechten und vor allem am linken Rand halten nichts von einer Verfassung für Europa.

EU Verfassung Symbolbild
Nachlesen erwünscht!

Was steht drin?

Mehr als fünf Millionen Exemplare des Texts wurden in Tageszeitungen verbreitet, ebenso Zusammenfassungen und Broschüren. Info-Sendungen in Fernsehen und Radio berichteten darüber. Das brauchte es nicht, um die Zustimmung zu erreichen, sagt Spanien-Experte Bernecker: Die Spanier werden mit dem Herzen für Europa stimmen.

Gerhard Schröder in Spanien Zapatero
Werben für die VerfassungBild: AP

Spanier, an die Urnen!

Um die Wahlbeteiligung zu steigern, brauchte es die Info-Kampagne allerdings schon. Denn wie viele Spanier ihrer Europa-Freude Ausdruck verleihen werden, indem sie an die Urnen gehen, bleibt fraglich. Gerade weil alle meinen, das positive Ergebnis stehe schon fest, könnten sie glauben, dass es auf eine Stimme mehr oder weniger nicht mehr ankomme. Die Befürchtungen sind real, meint Bernecker. Denn die Spanier treibt es erst dann in Scharen zur Wahl, wenn wirklich etwas Außergewöhnliches zu entscheiden ist. Die Parlamentswahlen 2004 waren eine solche Gelegenheit: Die terroristischen Anschläge auf Madrids Bahnhof Atocha trafen die Spanier bis ins Mark. Die Ablehnung gegen die Politik des damaligen Regierungschefs José María Aznar – Beteiligung am Irak-Krieg, Abkehr vom europäischen Kurs, Annäherung an die USA – erreichte ihren Höhepunkt. Sie verpassten Aznar einen Denkzettel und wählten den Sozialisten José Luis Rodríguez Zapatero und damit eine europa-nahe Politik.

Jose Luis Rodriguez Zapatero
Zapatero bringt Spanien auf Europa-KursBild: AP

Rückhalt für Zapatero

Für diese Politik braucht Zapatero beim EU-Referendum allerdings Bestätigung – durch eine hohe Wahlbeteiligung. Um diese anzukurbeln, hat die sozialistische Regierung riesige Werbekampagnen gestartet. Hunderte Veranstaltungen in den letzten zwei Wochen vor der Wahl standen an, manche mit hochkarätiger Besetzung: Frankreichs Staatspräsident Jacques Chirac kam, um für die Verfassung zu werben. Über die Hälfte der knapp 35 Millionen Wahlberechtigten müssen am Sonntag schon an die Urnen gehen, um Zapatero den Rücken zu stärken. Denn die konservative Opposition steht schon in den Startlöchern, um Kritik an seinem Kurs zu üben.

Mariano Rajoy
Oppositionschef Mariano RajoyBild: AP

Opposition pro Europa?

Dabei ist auch sie europa-freundlich gesinnt, betont Bernecker. Tatsächlich veranstalten sie beinahe ebenso viele Werbemaßnahmen für die Verfassung wie die Regierung. Und sie berufen sich darauf, dass schließlich in ihrer Regierungszeit der Großteil des Vertragswerks ausgehandelt wurde. Allerdings werfen sie der neuen Regierung vor, zu viel Macht abgegeben zu haben. Eine geringe Wahlbeteiligung würden sie als Bestätigung dieser Vorwürfe interpretieren.

Abstimmung mit dem Herzen

Dabei, so meint Professor Bernecker, ist den Spaniern sehr bewusst, dass sie sowohl Macht als auch Geld abtreten müssen. Die fetten Jahre sind vorbei, ab jetzt sind die neuen Beitrittsländer dran. Aus dem größten Netto-Empfänger der EU wird ab 2007 ein Nettozahler werden. Die Spanier sehen das, sie diskutieren darüber und sie versuchen auch, um ihre Rechte zu kämpfen, sagt der Spanien-Experte. Zum Beispiel wollen sie längere Übergangsfristen, so dass den strukturschwachen Regionen nicht abrupt der Geldhahn zugedreht wird. Das wird sie aber nicht daran hindern, mit dem Herzen "si" zur Verfassung zu sagen.