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Japan Parlamentswahlen

Martin Fritz16. Dezember 2012

Die Enttäuschung über schwache Reformer treibt Japans Wähler nach rechts. Nach nur drei Jahren dürften die Liberaldemokraten an die Macht zurückkehren. Spannend bleibt, ob ihre Mehrheit zum Regieren reicht.

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Wahlkampf von LDP-Chef Shinzo Abe (Foto: Reuters)
Bild: Reuters

Rolle rückwärts in Japans Politik: Shinzo Abe (58), der bei den Wahlen am Sonntag (16.12.2012) laut Umfragen einen klaren Sieg davongetragen hat, war bereits von September 2006 bis September 2007 Premierminister. Seine Liberaldemokratische LDP hat Japan zwischen 1955 und 2009 fast ununterbrochen regiert. Sogar das frühere LDP-Schlachtross Shintaro Ishihara kehrt nach 13 Jahren als Bürgermeister von Tokio auf die nationale Bühne zurück.

Inhaltlich wendet sich das Land ebenfalls der Vergangenheit zu: Abe verspricht ein "schöneres" Japan und will die Wirtschaft, ganz wie früher, mit Beton für Brücken, Straßen und Staudämmen beleben. Der Atomunfall von Fukushima zählt nicht. Zwar plädiert mehr als die Hälfte der Japaner für einen Atomausstieg. Dennoch will die Mehrheit der Wähler offenbar jene LDP zurück, die den Atomstaat einst aufgebaut hatte.

Rechte Politiker verlangen "starkes" Japan

Der stramme Nationalist Ishihara formuliert ganz unverblümt: "Japan ist wie die Titanic - da spielte das Orchester ebenfalls während des Untergangs", ruft der 80-Jährige seinen Zuhörern im Wahlkampf zu. Dann verlangt er ein "starkes Japan, das nicht untergeht" und die Abschaffung des "Feudalismus" der Elitebeamten. Als Bürgermeister von Tokio hatte er durch eigenes Vorpreschen Premierminister Yoshihiko Noda zum Kauf von drei Inseln gezwungen, die auch China beansprucht.

Schiff der japanischen Küstenwache (Foto: Ralph Goldmann)
Japan soll nicht untergehen - erst recht nicht im Ostchinesischen MeerBild: picture alliance/R. Goldmann

Das löste im September die bisher schlimmsten anti-japanischen Unruhen in China aus. Dem Rechtsaußen Ishihara genügt das nicht. Er könne nicht sterben, bevor "sein Japan, das von China zum Narren gehalten und von den USA als Mätresse benutzt wird, wieder zu einer stärkeren, schöneren Nation" werde, erklärte er. Als neuer Chef der Partei "Japans Wiedergeburt" könnte Ishihara bei dieser Wahl zum Zünglein an der Waage werden.

Enttäuschung über die Reformer

Die LDP erlebt nach nur drei Jahren in der Opposition ein Comeback, weil sich die Wähler von den Reformern der Demokraten (DPJ) bitter enttäuscht fühlen. "Die DPJ hat kaum etwas von ihren Versprechungen verwirklicht", räumt der linke Publizist Minoru Morita ein. Der Ausbau des Wohlfahrtsstaates scheiterte am Geldmangel, für die Beschneidung der Bürokratenmacht fehlte die Erfahrung, in drei Jahren wechselte die heterogene Partei ihren Premier drei Mal aus. Bei Tsunami-Katastrophe und Atomunfall erwies sich die DPJ-Regierung als überfordert.

Der Frust der Bürger verschafft LDP-Chef Shinzo Abe eine zweite Gelegenheit, seine nationalistische Agenda zu verwirklichen. Patrick Köllner, Direktor des Hamburger Instituts für Asienstudien, beschreibt Abe als "konservativen Hardliner". Abe will die von den USA während der Besatzungszeit diktierte Verfassung reformieren, die Japan zum Pazifismus verpflichtet. Die "Selbstverteidigungsstreitkräfte" sollen künftig "Armee" heißen und bei UN-Einsätzen zurückschießen dürfen. Eine solche Entwicklung hat es auch nach der Wiedervereinigung in Deutschland gegeben.

Oppositionsführer Abe vor Yasukuni-Schrein (Foto: AP)
Umstrittener Besuch des Oppositionsführers Abe beim Yasukuni-SchreinBild: dapd

Provokationen an Chinas Adresse

Doch Abe verbindet dieses Projekt mit nationalistischen Untertönen, die den asiatischen Nachbarn sauer aufstoßen. So leugnet er japanische Kriegsverbrechen wie die Versklavung von Tausenden Frauen zur Prostitution. Abe will die Verteidigungsausgaben erhöhen, um Chinas Vormachtstreben zu begrenzen. Demonstrativ warf er Peking den Fehdehandschuh hin, indem er den umstrittenen Yasukuni-Schrein besuchte und den Dalai Lama traf. Doch ohne Einsicht in die Kriegsschuld schürt er den Eindruck, Japan falle ins imperialistische Muster zurück.

Den Umfragen zufolge wird die LDP mit ihrem Partner Neue Komeito die absolute Mehrheit der Sitze im Unterhaus erringen. Allerdings bräuchte Abe dort eine Zwei-Drittel-Mehrheit, um das Veto des Oberhauses, das von den Gegnern der LDP kontrolliert wird, zu überstimmen. Ohne diese Mehrheit würde die politische Blockade der vergangenen zwei Jahre mindestens bis zum Sommer 2013 weitergehen. Dann wird die Hälfte des Oberhauses neu gewählt. Auch für Änderungen der Verfassung ist eine Zwei-Drittel-Mehrheit nötig.

Rechte Koalition gegen den Stillstand?

Dennoch hat Abe bereits das Angebot von Premierminister Yoshihiko Noda abgelehnt, mit dessen Demokratischer Partei DPJ eine Große Koalition zu bilden, obwohl Noda ein gemäßigter Konservativer ist und die Partei nach zahlreichen Austritten fest in der Mitte steht. Als Partner bietet sich daher die von Ishihara geführte Partei "Japans Wiedergeburt" an. Gegründet hat sie der Bürgermeister von Osaka, Toru Hashimoto. Der 43-Jährige setzt ebenfalls auf die Unzufriedenheit der Wähler mit den etablierten Parteien.

Toru Hashimoto und Shintaro Ishihara (Foto: Reuters)
Hashimoto (2. v.l.) und Ishihara (2. v.r.) wollen die "dritte Kraft" seinBild: Reuters

"Politiker tun nichts für das Volk und sagen nie die Wahrheit", ruft Hashimoto neben dem fast doppelt so alten Ishihara vom gemeinsamen Wahlkampfbus herunter. Um zur "dritten Kraft" zu werden, haben die beiden sehr verschiedenen Partner ihre Differenzen etwa beim Thema Atomausstieg übertüncht. Umfragen sagen dem Protestgespann 35 bis 50 der insgesamt 480 Sitze voraus. Das wäre genügend Masse für eine parlamentarische Zwei-Drittel-Mehrheit gemeinsam mit Abes LDP. Damit könnte Japan noch weiter nach rechts rücken, als es Abe ohnehin schon vorhat.