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Sexverbot und Seifenoper

Marcus Bösch8. Juli 2002

Fehlende Untersuchungen und teure Medikamente: 70 Prozent aller HIV-Infizierten leben südlich der Sahara. Während die Verantwortlichen teilweise zu obskuren Mitteln greifen, setzen die Vereinten Nationen aufs Fernsehen.

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In Simbabwe ist jede/r Dritte HIV positivBild: Petra Reategui

40 Millionen HIV-Infizierter weltweit schätzt die Weltgesundheitsorganisation (WHO). Südlich der Sahara leben 28,1 Millionen Infizierter. Mythen von vermeintlichen Rand- und Risikogruppen verblassen in Anbetracht der höchsten Aids-Raten der Welt: Jeder vierte Bewohner zwischen 15 und 49 Jahren in Swasiland ist HIV positiv. In Simbabwe ist ein Drittel der Erwachsenen infiziert. Den traurigen Rekord hält Botswana mit 39 Prozent. "Die Verbreitung von HIV hat einen Umfang erreicht, der die schlimmsten Vorhersagen übertrifft", warnt Peter Piot, Direktor des UN-Aidsbekämpfungsprogramms UNAIDS.

Tod einer Generation?

Aids könnte nach Einschätzungen der UNO in Afrika eine ganze Generation auslöschen und den Kontinent destabilisieren. Längst ist die Immunschwächekrankheit kein rein medizinisches Problem mehr. Die Epidemie droht, nach Angaben von Piot, alle in den vergangenen Jahrzehnten erzielten wirtschaftlichen Fortschritte in den afrikanischen Staaten zunichte zu machen. Ohne wirksame Gegenmaßnahmen könnten in Staaten wie Samibia oder Botswana bis zum Jahr 2020 fast 25 Prozent der Arbeitskräfte wegfallen. Bereits jetzt sind, laut UNAIDS, drei von vier Todesfällen unter Polizisten in Kenia auf Aids zurückzuführen.

Teufelskreis Armut

99 Prozent der HIV-Infizierten in Afrika können eine erforderliche Blutuntersuchung nicht bezahlen. Und da die meisten Infizierten nichts von ihrer Krankheit wissen, kann sich der Virus unerkannt verbreiten. Auch wenn die Erkrankung nachgewiesen wird, bekommt nur rund jeder Tausendste Aids-Medikamente. Trotz Preissenkungen und verschärftem Wettbewerb der Pharmakonzerne sind die Medikamentenpreise unerschwinglich: pro Patient rund 1000 Dollar jährlich. Die Behandlungskosten vernichten häufig die knappen finanziellen Reserven der Betroffenen. Zum Opfer fällt meist das Schulgeld für die Kinder: ein weiterer Faktor im Teufelskreis von Armut und Bildungsmangel.

Die Lösungsvorschläge der Verantwortlichen muten zumeist erschreckend befremdlich an. Der junge Monarch Mswati III. aus Swasiland verkündete beispielsweise ein generelles Sex-Verbot für junge Frauen. Gleichzeitig verpflichtete der Regent eine erst 17-Jährige zu seiner neunten Frau. Südafrikas Präsident Thabo Mbeki bezweifelte trotz 4,7 Millionen Aids-Kranker lange Zeit den Zusammenhang zwischen HIV und Aids. Erst in den letzten Monaten kam es zu einer vorsichtigen Trendwende: Südafrikas Gesundheitsministerium plant, ab Januar 2003 landesweit Medikamente an infizierte Schwangere zu verabreichen.

"Pädagogisch wertvoll"

Die G8-Staaten haben mit ihrem Afrika-Aktionsplan konkrete Hilfe zugesagt. 500 Millionen Dollar versprachen die USA bereits im Vorfeld des letzten Weltwirtschaftsgipfels, vergangenen Juni in Kanada . Experten kritisieren jedoch die Reichweite der Maßnahmen und verweisen auf den sprichwörtlichen Tropfen auf den heißen Stein. Die Vereinten Nationen haben unterdes einen unkonventionellen Weg der Aidsaufklärung beschritten: Eine Fernsehserie. Ab Mitte Juli wird die Produktion "Heart and Soul" in 22 afrikanischen Staaten auf Sendung gehen. Die "pädagogisch wertvolle" Seifenoper soll über die Tabuthemen Sex und Aids aufklären und dabei unterhalten.