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Gesellschaft

Sexuelle Übergriffe in Leipziger Klub

Ben Knight glh
23. Oktober 2016

Im linksalternativen Jugendzentrum Conne Island in Leipzig müssen Flüchtlinge für Partys nur 50 Cent Eintritt zahlen. Nun berichtet der Klub von sexuellen Übergriffen und Diebstählen. Aus Leipzig Ben Knight.

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Leipzig Connie Island Club Eingang
Bild: DW/B. Knight

Das Conne Island liegt etwas abseits der Straße, versteckt zwischen einem schmalen Fluss und einer Autobahn findet man es am Rande des Leipziger Szene-Stadtteils Connewitz. Seine Überzeugungen trägt es auf seinen Wänden - sowohl außen als auch innen - offen zur Schau: Hier hängen zahlreiche Poster und Sticker, auf denen Flüchtlinge willkommen geheißen und Rassisten herausgebeten werden. 

Nun sah sich ausgerechnet dieses linke Jugendzentrum gezwungen, eine Pressemitteilung zu veröffentlichen, mit der das Zentrum einen sehr schmalen Pfad betritt, einen Pfad, der zwischen den applaudierenden Menschen, die die Flüchtlinge im Sommer 2015 willkommen hießen, und der wütenden Menge der fremdenfeindlichen Pegida-Anhängern verläuft. 

Man fühle sich als linkes Jugendzentrum der ersten Gruppe zugehörig und habe aus diesem Grund das Zentrum und Teile seiner Aktivitäten wie beispielsweise die Partys für Flüchtlinge zu einem günstigen Preis von nur 50 Cent angeboten, heißt es in der Mitteilung. Doch der günstige Eintrittspreis zog nicht nur Menschen mit guten Absichten an. Im letzten Jahr sei es vermehrt zu "sexistischen Anmachen und körperlichen Übergriffen" im Conne Island und in anderen Clubs gekommen, heißt es. "Auch mit der Konsequenz, dass weibliche Gäste auf Besuche verzichten."

Ein großes Problem - gerade für eine Einrichtung, die sich bereits seit Mitte der 1990er-Jahre gegen Diskriminierung jeglicher Art einsetzt und für klare Prinzipien steht: "Sexistisches, homophobes, rassistisches oder antisemitisches Verhalten wird nicht akzeptiert", schreibt das Zentrum und könne "auch nicht durch Herkunft oder Sozialisation gerechtfertigt werden".

"Refugees Welcome"-Beutel lösen nicht alle Probleme

Das Conne Island erklärt sich das Verhalten der Männer unter anderem durch "die stark autoritär und patriarchal geprägte Sozialisation in einigen Herkunftsländern Geflüchteter und die Freizügigkeit der westlichen (Feier-)Kultur". Die Kombination aus beidem bilde "mitunter eine explosive Mischung". In mehreren Fällen sah man sich sogar gezwungen, die Polizei einzuschalten - ein Schritt, den man in linksalternativen Kreisen eher ungern tut.

Leipzig Connie Island Club Eingang
"Flüchtlinge Willkommen" heißt es, direkt neben dem Hinweis, dass rassistische Äußerungen unerwünscht sindBild: DW/B. Knight

Mit dem Problem an die Öffentlichkeit zu gehen, fiel dem Klub nicht leicht, man wolle nicht in die "rassistische Kerbe von AfD und CDU/CSU" schlagen. Doch die Vorfälle hätten auch gezeigt, wie schwierig es sei, offensiv solidarisch mit Geflüchteten zu sein, rechten Stimmungen entgegenzuwirken und gleichzeitig anzuerkennen, dass mit dem Tragen eines "Refugees Welcome-Beutels eben nicht automatisch alle Probleme und Konflikte gelöst sind".

Sexuelle Übergriffe und Diebstähle auch in Freiburger Klub

Der Vorfall im sächsischen Leipzig ist kein Einzelfall. In einem ebenfalls der linken Szene nahestehenden Club in Freiburg, dem White Rabbit, kam es auch zu vermehrten Angriffen durch Flüchtlinge, woraufhin man für kurze Zeit Flüchtlingen sogar den Einlass in den Klub untersagte. In einer Mitteilung auf Facebook, verurteilte der Klub jedoch die Medienberichterstattung über die Vorfälle, welche den "Voyeurismus der Stammtische und Rechtspopulisten" bediente und "ohne Rücksicht auf die Opfer von sexueller Gewalt im Allgemeinen eine Retraumatisierung billigend in Kauf" genommen hätten.

Ali N. , ein syrischer Student, der seit acht Jahren in Leipzig lebt und ebenfalls in der Flüchtlingshilfe aktiv ist, ist nicht überrascht, dass es zu derartigen Vorfällen gekommen ist. "Zu sagen, alle Flüchtlinge sind unschuldig, ist genauso falsch wie zu sagen, dass alle Flüchtlinge schlecht sind."

Ali N. kennt zahlreiche Klubs in Leipzig, die Ausländer den Einlass verwehren - egal ob Flüchtling oder nicht. Er sieht nicht kulturelle Unterschiede als Grund für das unakzeptable Verhalten mancher Flüchtlinge: "Viele haben kriminelle Probleme", sagt er und verweist auf Flüchtlinge, die am Hauptbahnhof offen Drogen verkaufen: "Manchmal glaube ich, die Polizei lässt sie einfach machen, damit die Menschen denken, alle Flüchtlinge seien Drogendealer."

Manche haben nichts zu verlieren

Doch vor allem haben seiner Meinung nach die teils stark verschiedenen Chancen, einen längeren Aufenthaltsstatus zu erlangen, Auswirkungen auf das Verhalten mancher Flüchtlinge. Syrer, deren Chance auf anerkanntes Asyl in Deutschland hoch ist, hätten beispielsweise mehr zu verlieren als Afghanen oder Nordafrikaner. Ali N. sagt, er kenne einen jungen Afghanen, der immer aggressiver wurde, nachdem bekannt wurde, dass er abgeschoben werden würde.

Sarah Schafmeister betreibt in Leipzig das Südcafé, welches zweimal wöchentlich einen Treffpunkt für Flüchtlinge und Ortsansässige anbietet. Die große Herausforderung für alle Flüchtlingsprojekte sei es nun, einen Prozess anzustoßen, aus dem alle lernen könnten, meint sie. "Aus dieser Sicht finde ich es richtig, dass das Conne Island die Vorfälle öffentlich gemacht hat."