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Sexualstraftäter floh aus Brauhaus

13. Januar 2017

Die Idee, mit einem inhaftierten Straftäter ins Brauhaus zu gehen, muss man erst einmal haben. Ihn alleine auf die Toilette gehen zu lassen, ist noch so eine Idee. Die unachtsamen JVA-Beamten wurden aber freigesprochen.

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Brauhaus Früh in Köln
Bild: picture-alliance/dpa/O. Berg

Der Ausflug von Aachen nach Köln endete für zwei Beamten der Justizvollzugsanstalt (JVA) Aachen eher turbulent. Sie begleiteten einen verurteilten Sexualstraftäter auf einem Ausflug nach Köln - und mittags kehrte das Trio im bekannten Brauhaus "Früh" am Dom ein. Als der Gefangene sagte, dass er mal zur Toilette müsse, ließen die Beamten ihn gehen - allein. Diese Gelegenheit nutzte der heute 59-Jährige zur Flucht.

Extrem großer Freiraum

Dafür standen die beiden JVA-Beamten nun als Angeklagte vor dem Kölner Amtsgericht - wegen Gefangenenbefreiung. Sie hätten dem gefährlichen Straftäter, der seit 1999 in Sicherungsverwahrung saß, "einen extrem großen" Freiraum gelassen und so seine Flucht "wissentlich gefördert", sagt die Staatsanwältin in ihrem Plädoyer. Sie fordert für die beiden Angeklagten Bewährungsstrafen von mehr als einem Jahr. Doch das Urteil lautete: Freispruch.

Zwar hätten die 40 und 52 Jahre alten Beamten grob fahrlässig gehandelt und im Umgang mit dem Gefangenen eine "unendliche Schlamperei und Lässigkeit" an den Tag gelegt, betont Richter Frank Altpeter bei der Urteilsbegründung. Aber es liege kein Vorsatz vor und damit auch kein strafbares Verhalten. "Dass der Gefangene fliehen könnte, lag einfach außerhalb ihrer Vorstellungskraft", sagt Altpeter.

Denn beide Angeklagte kannten den Häftling schon seit Jahren, hatten ihn als freundlich und korrekt erlebt, so dass wohl eine Art Vertrauensbasis entstanden sei. Der 52-Jährige sagt im Prozess, er habe beinahe täglich mit ihm zu tun gehabt und ihn auch auf seinen vorherigen acht Ausflügen begleitet. "Es gab nie irgendwas zu beanstanden."

Drei Cola im Brauhaus - das konnte nicht gutgehen

Noch ehe alle drei Männer im "Früh" Platz genommen hatten, verabschiedete sich der Gefangene in Richtung Toilette - zumal in dem Moment schon der "Köbes" genannte Brauhaus-Kellner da stand, um die Bestellung aufzunehmen: drei Cola. Als der Häftling nicht wieder auftauchte, wurde dem 52-Jährigen JVA-Mann nach eigenen Angaben langsam mulmig.

Bis die Beamten tatsächlich mit der Suche begannen, waren laut Anklage 27 Minuten vergangen. Erst drei Tage nach seinem Verschwinden konnte die Polizei den Geflohenen wieder fassen. Den JVA-Beamten, die seit dem Vorfall vom Dienst suspendiert sind, könnten laut Gericht unabhängig vom Freispruch disziplinarrechtliche Maßnahmen drohen. Der 59-Jährige wurde inzwischen in die JVA Werl verlegt. Sogenannte Ausführungen habe er seit dem Vorfall nicht mehr gehabt, sagt der stellvertretende Anstaltsleiter Andreas Jellentrop. Allerdings habe er bislang auch keinen entsprechenden Antrag gestellt.

Begleitete Ausgänge stehen Sicherungsverwahrten übrigens auf Antrag gesetzlich zu und dienen der "Erhaltung der Lebenstüchtigkeit". Der 40 Jahre alte Beamte schilderte vor Gericht, dass der Häftling nicht gefesselt gewesen sei. "Wir laufen da rum wie drei normale Passanten." Deshalb kritisiert Richter Altpeter in seinem Urteil auch - wie er es nannte - "systemimmanente Schwächen".

ml/uh (mit dpa)